Literatur:Was du liebtest und verlorst

Literatur: Hat sich mit den Nibelungen als "Heimsuchung" beschäftigt: Schriftstellerin Ulrike Draesner.

Hat sich mit den Nibelungen als "Heimsuchung" beschäftigt: Schriftstellerin Ulrike Draesner.

(Foto: Gerald Zörner/imago images)

Nibelungen einst und heute: Drei Abende zu "Klassikern des deutschen Mittelalters" im Lyrik Kabinett wollen deren Aktualität beleuchten. Schriftstellerinnen wie Ulrike Draesner und Felicitas Hoppe haben sich schon so ihre Gedanken dazu gemacht.

Von Antje Weber

Was genau geschieht eigentlich im Nibelungenlied? Selbst Ulrike Draesner vergisst das immer wieder, wie vor einigen Jahren in ihrem Gedichtband "Nibelungen. Heimsuchung" zu erfahren war. Und vielleicht sind die Verwicklungen des Epos auch gar nicht das Wesentliche, wie die Schriftstellerin damals in einem Interview ausführte. Vielleicht ist viel interessanter, sich klarzumachen, dass nicht nur die Welt im Mittelalter eine andere war, sondern auch die Literatur ganz anders von Gefühlen sprach, vom Ich. Das Wichtigste am Nibelungenlied ist für Draesner daher von universeller Art: "Das Lied erzählt mir: Es gibt Lebenslagen, da fährt, was du liebtest und verlorst und noch liebst, unverhofft, unerwartet, erschreckend und schön, durch die Luft auf dich zu. Das vergesse ich nicht."

Es gibt in dieser Woche nun reichlich Gelegenheit, nicht nur das Wissen über mittelalterliche Stoffe, sondern auch über ihre Neuinterpretationen in der Gegenwart zu vertiefen. Gleich drei prominent besetzte Abende im Lyrik Kabinett umkreisen die "Klassiker des deutschen Mittelalters". Ulrike Draesner darf als promovierte Mediävistin, die zudem eine Neudichtung vorweisen kann, für ein solches Projekt natürlich als gesetzt gelten. Sie wird an allen Abenden dabei sein - zusammen mit dem Lyriker Tristan Marquardt, unter bürgerlichem Namen Alexander Rudolph als ebenfalls promovierter Mediävist an der LMU München tätig. Die beiden haben dazu renommierte Autoren und Wissenschaftler eingeladen - so dass, wer alle Abende besucht, danach vermutlich selbst als Experte durchgehen kann.

Literatur: Felicitas Hoppe hat den Nibelungenstoff als "deutschen Stummfilm" neu in Szene gesetzt.

Felicitas Hoppe hat den Nibelungenstoff als "deutschen Stummfilm" neu in Szene gesetzt.

(Foto: Christoph Hardt/imago images/Future Image)

Besonders spannend verspricht der Auftakt zum Nibelungenlied an diesem Montag, 12. September, zu werden. Die Schriftstellerin Felicitas Hoppe ist zu Gast und hat viel zum Thema beizutragen: Auch sie hat sich im Roman "Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm" mit dem Stoff auseinandergesetzt, alles einmal quer durch die Luft gewirbelt und als "gesamteuropäisches Heldenepos" im vergangenen Jahr auf die Leser zufliegen lassen. Das Mittelalter hat es ihr ohnehin angetan - so hat sie unter anderem noch ein Kinderbuch über "Iwein Löwenritter" geschrieben, erzählt nach dem Roman von Hartmann von Aue.

Der ist bei dieser Mittelalter-Trilogie allerdings kein Thema. Am zweiten Abend (14.) geht es vielmehr um Wolfram von Eschenbachs "Parzival"; dafür reist der Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg an, der bereits in den Neunzigerjahren im Roman "Der Rote Ritter" durch die mittelalterlichen Gefilde ritt. Am Freitag (16.) bereichert der neu bestallte LMU-Germanistikprofessor Frieder von Ammon die Runde; dann geht es um die Frage, inwieweit Gottfried von Straßburgs "Tristan" ein "unerhörtes Stück Liebesliteratur" ist.

Große Fragen und weite Bögen erwarten also die Zuhörer. "Das Publikum will immer alles auf einmal", heißt es in Hoppes Nibelungen-Roman, und es bekommt hoffentlich all das geboten: "das große Drama und das leise Gedicht, den unsterblichen Helden und sein menschliches Antlitz, Kunst und Verständnis in einer Person, das Rätsel samt Lösung, tiefen Trost und federleichte Erbauung".

Mittelalter-Spezial, Mo./Mi./Fr., 12. /14./ 16. September, 19 Uhr, Lyrik Kabinett, Amalienstr. 83, lyrik-kabinett.de (Ergänzung: Der Abend am Mi., 14., fällt kurzfristig aus bzw. wird verschoben.)

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