Süddeutsche Zeitung

Mitglieder des IOC:Die Rolle der Prinzen

Ein Scheich, einige Prinzessinnen und ein 95-Jähriger: Die 110 Mitglieder im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) entscheiden, wo Olympische Spiele stattfinden. Manche sind sogar auf Lebenszeit berufen.

René Hofmann

Sepp Blatter ist kein besonders guter Kronzeuge, wenn es um integre Sportführer geht, aber zu den Kollegen im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ist vom Präsidenten des Fußball-Weltverbandes ein treffendes Bonmot überliefert. Falls jemand wissen wolle, wo es auf der Welt noch Prinzen, Prinzessinnen und Könige geben, riet der Schweizer jüngst, "der soll sich die Liste des IOC ansehen. Er wird dort eine ganze Menge finden."

Aktuell umfasst diese Liste 110 Namen. Vor elf wird der Zusatz "Prinz" oder "Prinzessin" geführt. Zu ihnen gesellt sich noch ein gewöhnlicher Scheich: Ahmad Al-Fahad Al-Sabah aus Kuwait. Auch er darf in Durban mitbestimmen, wo die Winterspiele 2018 stattfinden, was die Frage aufwirft: Wie konstituiert sich eigentlich das Gremium, das eine der wichtigsten Entscheidungen der Sportpolitik trifft?

IOC-Mitglied lässt sich nur auf eine Art werden: Man muss von anderen IOC-Mitgliedern vorgeschlagen und dann gewählt werden. Schafft man das, ist man für acht Jahre Mitglied. Anschließende Wiederwahlen sind möglich, allerdings nur, bis man 70 wird. Doch es gibt Ausnahmen: Wer vor 1999 aufgenommen wurde - und das sind immerhin 61 der aktuell 110 Mitglieder -, darf bis zum 80. Geburtstag bleiben.

Und wer schon 45 Jahre lang dabei ist, darf für immer mitwirken; so kommt es, dass auch der inzwischen 95-jährige Brasilianer João Havelange mitstimmen darf - falls er es nach Durban schafft. Wie viele Stimmberechtigte exakt antreten, weiß deshalb selbst das IOC erst am Wahltag. Nicht abstimmen wird der Belgier Jacques Rogge. Als Präsident gibt er sich neutral.

Nicht mitstimmen dürfen in der ersten Runde die IOC-Mitglieder aus den Ländern, die selbst eine Stadt im Rennen haben. Aus Deutschland sind das Claudia Bokel und Thomas Bach. Frankreich und Südkorea haben ebenfalls, zufällig, zwei IOC-Mitglieder. In diesem Punkt hat also keiner einen Vor- oder Nachteil. Weil das Gremium aber nicht nach Regionalproporz besetzt ist, kann das indirekt Auswirkungen auf Bewerber haben.

Die Schweiz beispielsweise hat fünf IOC-Mitglieder, womit das Land extrem gut vertreten ist. Plant es selbst eine Bewerbung um Olympische Winterspiele, beispielsweise für 2022, so könnten seine Repräsentanten diesmal durchaus ein Interesse haben, sich für einen Kandidaten auszusprechen, der nicht aus der unmittelbaren Nachbarschaft stammt.

Derlei Überlegungen sind bei vielen Sportentscheidungen Usus, bei der Vergabe der Olympischen Winterspiele aber sind sie besonders schwer vorherzusagen: Von den 110 nominell Stimmberechtigten stammen mehr als 40aus Ländern wie Guatemala, Guinea, Gambia, Sambia oder von der Antillen-Insel Aruba, die nicht wirklich über eine große Wintersport-Tradition verfügen - und denen es folglich egal sein könnte, wo das Schnee-Spektakel tobt.

Dass Deutschland mit Walther Tröger, Günther Heinze und Berthold Beitz drei IOC-Ehrenmitglieder hat, hilft bei der Wahl nur bedingt. Die insgesamt 28 Ehrenmitglieder dürfen nicht mitstimmen.

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SZ vom 02.07.2011/sonn
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