Süddeutsche Zeitung

Löwenfans gegen Rechts:Mission im Stadion

Steffi Dilba engagiert sich bei den Löwenfans gegen Rechts. Sie findet es schlimm, dass viele Anhänger sexistisch, rassistisch und homophob sind - und dass der Verein keine Haltung bezieht.

Von Gerhard Fischer

Ein Nachmittag im Münchner Stadtcafé: Steffi Dilba, 39, kommt durch die Tür, und weil es draußen kalt ist, Dilba einen Schal trägt und sich flott bewegt, könnte man auch sagen, sie schneie herein. Zuerst meint man, ihr Schal sei bloß blau und weiß. Das würde sehr schön passen: Steffi Dilba ist Fan des TSV 1860 München. Aber dann sieht man noch andere Farben, und das Gesprächseinstiegsgeplänkel über den Schal endet schließlich mit der Feststellung Dilbas: "Rot trage ich selten." Rot ist die Farbe des FC Bayern.

Schon ist man mittendrin im Befindlichkeitsdickicht einer echten Löwin: Den Bayern gehört die Allianz Arena, und deshalb fährt eine wie Dilba nicht gerne nach Fröttmaning, wo der FC-Bayern-Untermieter 1860 seine Heimspiele austrägt. Manchmal kriegt sie schon in der U-Bahn schlechte Laune. "2015 war ich nur einmal dort - beim Pokalspiel gegen Hoffenheim", sagt sie. 1860 gewann 2:0. Wenigstens das.

Steffi Dilba ist contra Bayern-Abhängigkeit und pro eigene Identität. Und sie ist bei den Löwenfans gegen Rechts. Diese Arbeit ist heute wichtiger denn je. Siehe Pegida. Siehe AfD. Siehe Hetze gegen Flüchtlinge.

Engagiert bei den Löwenfans gegen Rechts

Die Löwenfans gegen Rechts entstanden Mitte der Neunzigerjahre. "Damals wurden im Olympiastadion die Rechten verstärkt laut", erzählt Steffi Dilba; 1860 spielte damals im Olympiastadion. Und vor einigen Jahren waren die rechten Fußballfans noch einmal sehr offensiv: Sie versuchten andere Löwen-Anhänger auf ihre Seite zu ziehen. Heute sieht Dilba die Rechtsextremen bei 1860 nicht als "großes Problem". Sie überlegt. War es richtig, was sie gesagt hat? Kein großes Problem. "Ich will es nicht kleinreden", sagt sie dann. "Aber es sind nur einzelne Gruppen - es gibt keine große, zusammenhängende Einheit, die immer ins Stadion geht."

Gefährlich sei eine langjährige Löwen-Anhängerin, die "in die rechtsextreme Szene abgedriftet" sei. Ihre Gruppe heißt "Brigade Giesing". Zu dieser Brigade gehöre auch ein Mann, der zum Kreis des verurteilten Rechtsextremisten Martin Wiese zähle. Dieser Mann wollte 1860-Mitglied werden. Der Verein hat es abgelehnt - nach einer Warnung der Löwenfans gegen Rechts. Die Frau allerdings bleibt ein Problem. Sie kennt viele Leute.

Außerdem gebe es einen NDP-Mann aus Freising, der oft ins Stadion gehe; dazu einige, die Runen-Tätowierungen oder die Kleidung der rechten Marke Thor Steinar trügen; und einige, die den Hitlergruß zeigten. Wenn ihr "bei massiven Rechten" etwas auffalle, geht sie nicht selbst hin und moniere das, sagt Dilba. "Zu gefährlich." Steffi Dilba weist dann die Ordner darauf hin.

Noch ist nichts passiert

Natürlich gibt es Drohungen gegen die Löwenfans gegen Rechts. Auf Facebook zum Beispiel, wo viele 1860-Anhänger rechte Kommentare posten. Oder wenn man sich bei einer Demo sieht. Steffi Dilba führt die flache Hand vor die Kehle. "So was zeigen sie uns dann." Passiert ist noch nichts. "Unser Glück ist, dass wir einen festen Platz in der Fanszene haben", sagt sie, "die Rechten trauen sich nicht, uns persönlich anzugreifen."

Steffi Dilba hat jetzt lange und viel erzählt. "Ich rede und rede", sagt sie und lacht über sich. Aber das macht gar nichts, ihr Vielreden. Erstens hat sie Interessantes zu sagen und zweitens tut sie das in einer angenehmen Weise: klar und schnörkellos. Was man hört, ist schlüssig, und was man spürt, ist Energie.

Steffi Dilba wuchs in Fürstenried auf. Zu Hause wurde viel über Politik diskutiert, und stets war klar: Fremdenhass, Rassismus - das geht gar nicht. Und daheim wurde auch viel Fußball geguckt. "EM, WM, Sportschau", sagt Dilba. Sie war damals noch nicht Fan eines Vereins. 1860? Kannte sie nicht. "Die waren damals in der Bayernliga - und das war in der Sportschau kein Thema", sagt sie. Später guckte sie beim TSV Forstenried zu, und da gab es Jungs, die vom TSV 1860 schwärmten: wie toll es dort im Stadion sei, solche Sachen. Natürlich gab es auch Bayern-Anhänger in Forstenried, aber Steffi Dilba fand, "dass die coolen Jungs Sechziger waren und die uncoolen Bayern-Fans".

Als sie 13 war, ging sie erstmals in dieses Stadion, in dem die Stimmung angeblich so toll sein sollte: ins Grünwalder Stadion in Giesing. "26. August 1989, Bayernliga, 8000 Zuschauer, Sechzig gegen Weiden 1:0, Tor durch Bernhard Meisl", sagt sie. Jeder Fußballfan kann das: die Daten vom allerersten Spiel hersagen. Steffi Dilba fügt aber auch noch die Gefühle an: Es sei "Liebe auf den ersten Blick" gewesen, sie habe die Gesänge toll gefunden, sie habe das Stadion als Heimat empfunden; Dilba begann, die Tradition zu schätzen, und sammelte Zeitungsausschnitte, kaufte später eine Dauerkarte, ging mit dem Bruder hin oder auch alleine. Sie sah, "wie ältere Männer Tränen in den Augen hatten", weil der Aufstieg nicht klappte (Schweinfurt, 1990), und wie sie Tränen in den Augen hatten, weil der Aufstieg klappte (Meppen, 1993).

Eine schwierige Liebe

Die Liebe dauert eine paar Jahre. Dann kam Karl-Heinz Wildmoser. Der neue Präsident etablierte 1860 in der Bundesliga, aber die Löwen verließen das Grünwalder Stadion und Wildmoser wollte werden wie der FC Bayern: vor allem erfolgreich. Der Verein entfremdete sich von vielen Fans. Diese Geschichte wurde oft erzählt.

Dilba trat aus dem Verein aus. Sie studierte Grundschullehramt mit Psychologie (heute arbeitet sie als Lehrerin in einer therapeutischen Wohngemeinschaft) und zog 2007 nach - Giesing. "Ich sah damals einen Fernsehbeitrag über 1860 München II und dachte: ach ja, die spielen ja im Grünwalder Stadion", erzählt sie. Steffi Dilba ging dann ein paar Mal hin, schließlich lag das Stadion um die Ecke. Einmal ist sie sogar mit dem Zug nach Kassel gefahren, 1860 II gewann dort "8:3 oder 8:2". Steffi Dilba war an diesem Wochenende 23 Stunden unterwegs. 23 Stunden für ein Regionalligaspiel.

Sie ging dann auch manchmal zu den Profis, schloss sich einer ultranahen Gruppe an, schloss sich den Freunden des Sechzger-Stadions an, schloss sich den Löwenfans gegen Rechts an. Bei den Löwenfans gegen Rechts gibt es keine Mitgliedschaft, 15 bis 20 Leute treffen sich einmal im Monat zum Stammtisch, und etwa zehn Aktive organisieren Lesungen, Demos, Treffen mit Flüchtlingen. Neulich waren sie Mitveranstalter des Netzwerk-Treffens der Fußballfans gegen Homophobie.

Schwierige Überzeugungsarbeit

Steffi Dilba findet es schlimm, dass viele Löwenfans gesellschaftspolitisch hinterherhinkten, was Sexismus, Rassismus und Homophobie angehe. "Schwuchtel", "Neger", "Zigeuner" - viele würden das ohne Unrechtsbewusstsein sagen. Manchmal schafft es Dilba, Leute zum Umdenken zu bewegen, etwa jene, die "schwuler Schiri" rufen. Manchmal. Es sei jedenfalls einfacher, als einen Rechten umzudrehen.

Ist der TSV 1860 eigentlich ein Verein, der Rechtsextreme anzieht - möglicherweise auch wegen seiner Vergangenheit, als der Klub von den Nazis protegiert worden war? Dilba überlegt. Man spürt, dass ihr ein "Ja" zu hart erscheint. Aber sie sagt, dass sie sich mehr Haltung vom Verein wünschen würde. Und mehr Unterstützung. Im vergangenen Jahr gab es wenig Kontakt. Als die Löwenfans gegen Rechts im Sommer den Bürgerpreis für Demokratie bekamen, gratulierte der Verein nicht. Und er lehnte es auch ab, bei einem Flüchtlingsprojekt der Gruppe mitzumachen. "Das war ein Schlag ins Gesicht", sagt Steffi Dilba. Positive Reaktionen gibt es von anderen Fans. Kürzlich kam wieder mal ein junger Mann auf Dilba zu und sagte: "Super, was ihr da macht."

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SZ vom 22.10.2015/vewo
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