Musikhochschule:"Alte Loyalitäten dürfen dem Opferschutz nicht entgegenstehen"

Prozess gegen einen früheren Leiter der Hochschule

Das Fazit der Kommission: Die Maßnahmen zur Aufarbeitung an der Musikhochschule seien zunehmend mutig und entschieden.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Eine externe Kommission, die nach den Missbrauchsfällen die aktuelle Situation an der Musikhochschule beurteilt, präsentiert ihren Bericht.
  • Die Mitglieder haben den Eindruck, dass "die Hochschule in den letzten Wochen zunehmend mutigere und entschiedenere Maßnahmen zur Aufarbeitung der Folgen der Missbrauchsfälle getroffen" habe.
  • Die Vorsitzende fordert allerdings, eine externe Juristin als Ansprechpartnerin für Betroffene zu benennen.

Von Sabine Buchwald

Am 16. Mai vergangenen Jahres fällte das Landgericht München nach 19 Verhandlungstagen sein Urteil gegen Siegfried Mauser, den ehemaligen Präsidenten der Münchner Musikhochschule. Das Gericht befand ihn in drei Fällen der sexuellen Nötigung für schuldig und verurteilte den Professor und Pianisten zu zwei Jahren und neun Monaten Haft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da Mausers Anwalt Revision einlegte.

Kurz nach dem Urteilsspruch, im Juni 2018, entschloss sich Marion Kiechle, die damalige Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, eine externe Kommission einzusetzen, die die aktuelle Situation an der Hochschule für Musik und Theater beurteilen sollte. Die Vorkommnisse, die Mauser zur Last gelegt wurden, liegen bereits etliche Jahre zurück und waren 2016 sukzessive ans Licht gekommen. Den Bericht der drei Kommissionsmitglieder konnte nun Kiechles Nachfolger Bernd Sibler präsentieren. "Ein guter Bericht mit differenzierenden Empfehlungen für Maßnahmen", beschied der Staatsminister der dreiköpfigen Kommission.

Den Vorsitz hatte Hildegund Holzheid, ehemalige Präsidentin des Bayerischen Verfassungsgerichts. Außerdem waren Isabell Welpe, Leiterin des Staatsinstituts für Hochschulforschung und -planung und Lehrstuhlinhaberin für Strategie und Organisation an der Technischen Universität (TU) München sowie der künstlerische Leiter des Münchner Bach-Chores, Hansjörg Albrecht, in die Arbeit eingebunden. In mehr als 22 Einzelgesprächen haben sie den Eindruck gewonnen, dass "die Hochschule in den letzten Wochen zunehmend mutigere und entschiedenere Maßnahmen zur Aufarbeitung der Folgen der Missbrauchsfälle getroffen" habe, sagte Holzheid am Freitagnachmittag.

Das Grundanliegen müsse "eine klare Haltung zum Thema Missbrauch" sein, denn das Aufdecken von sexuellem Missbrauch sei kein Verrat, sondern ein Akt der Befreiung. "Alte Loyalitäten dürfen dem Opferschutz nicht entgegenstehen", so die ehemalige Richterin. Sie forderte die Benennung einer externen Juristin als Ansprechpartnerin für Betroffene. Eine Juristin deshalb, weil diese vom Schweigerecht Gebrauch machen und juristische Fragen beantworten könne. Alle Belange der Sexualität seien schambesetzt, so Holzheid, und deshalb als "recht kompliziert" anzusehen. In diesem Punkt wünscht sie sich ein größeres Bewusstsein auf Seiten der Hochschule.

Verschiedene Kritikpunkte aber seien inzwischen geklärt. So ist mittlerweile klar, dass kein Unterricht mehr in Privatwohnungen von Professoren stattfindet. Außerdem ist das Foto des früheren Präsidenten im Senatssaal der Hochschule nach einem Beschluss des Senats nicht mehr an seinem Platz.

Die Hochschule ist nach Meinung der Kommission auf dem richtigen Weg, brauche aber in allen Bereichen eine "empathische, mutige und haltungsstarke Führung", sagt Holzheid mit Blick auf den jetzigen Präsidenten Bernd Redmann. Der betonte bei der Vorstellung des Berichts, wie schwer die vergangenen drei Jahre für die Hochschule gewesen seien und dass er für die Umsetzung der Richtlinien, die allen Hochschulangehörigen vorgelegt und von diesen unterschrieben worden sind, sorgen werde.

Die Kommission empfiehlt auch Umbauten im Gebäude

Die Kommission sprach in mehreren Punkten Empfehlungen aus, die freilich nicht zwingend, aber - so Redmann - geprüft und möglichst umgesetzt werden sollen. Holzheid forderte eine bessere Ausstattung des Amtes der Frauenbeauftragten. Zudem empfiehlt die Kommission mögliche Umbaumaßnahmen, etwa gläserne Türschlitze, damit Unterrichtsräume von außen einsehbar werden. Außerdem müssen Lehrerwechsel in begründeten Fällen, insbesondere bei Übergriffigkeit, schnell möglich sein. Den Studierenden dürfe daraus keinerlei Nachteil entstehen. In Fortbildungen und durch pädagogische Eignungsprüfungen soll zudem eine Qualitätssicherung in der Lehre gewährleistet sein.

Insgesamt bestätigte Holzheid nach vielen Monaten intensiver Beschäftigung an der Hochschule, dass sie eine "gute" Atmosphäre dort vorgefunden habe. Dennoch wünsche sie sich, dass die Kontrolle bleibe. Die Arbeitsgruppe "Sexuelle Belästigung, Diskriminierung und Gewalt" hatte 2016 eine Umfrage zu "sexueller Belästigung" durchgeführt. Die Ergebnisse wurden aber nicht bekannt gegeben. Ein Fehler, so Holzheid, weil dies den Verdacht der Vertuschung nahelege. Die Kommission empfiehlt nun eine erneute Umfrage, diesmal unter professioneller Leitung, deren Ergebnis dann öffentlich gemacht werden soll.

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