Süddeutsche Zeitung

Kirche:Der Katholikenrat zeigt sich mutlos gegen Missbrauch

Fünf von 100 Priestern sind Täter, doch der Katholikenrat verpasst es, seinem Kardinal Druck zu machen. Dabei geht es ums Überleben der Kirche als moralische Instanz.

Kommentar von Tom Soyer

Der Katholikenrat für die Region München hat sich am Freitagabend intensiv mit der Missbrauchsstudie der Bischofskonferenz, mit alarmierenden Täterzahlen unter kirchlichen Amtsträgern auseinandergesetzt und exzellenten Experten-Rat dazu eingeholt. Was so weit löblich ist. Aber er hat dann leider doch nur eine zahnlose "Resolution" verabschiedet, die sich ähnlich den deutschen Bischöfen in wolkigen Worten ergeht.

Dabei hätten die Laien-Katholiken ihrem eigenen Kardinal, zugleich Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, ruhig maximalen Druck machen dürfen. Denn wenn fünf von 100 Priestern Täter sind in dieser Kirche, dann geht es nicht mehr um Fragen der Image-Kosmetik, sondern ums Überleben der Kirche als moralische Instanz.

Laue Harmonie hilft nicht weiter, wenn aus der Missbrauchsstudie klar hervorgeht, dass Kirchenobere sich überwiegend in Vertuschung übten statt aufzuklären: Täterschutz statt Opferschutz - die Kirche ist zutiefst kompromittiert durch dieses moralische Totalversagen. Der Katholikenrat hätte Kardinal Marx ruhig auffordern dürfen, die kirchlichen Machtregeln zu reformieren: Die Kirche muss endlich ganz selbstverständlich die Zuständigkeit der staatlichen Justiz in ihren Sphären anerkennen und jeden Fall sofort anzeigen. Der Zölibat steht sehr in Frage, zumindest aber bedarf es eines reiferen, offeneren Umgangs mit Sexualität. Und die Bischöfe müssen aufhören, nur immer vom Bedauern zu reden, ohne echten Dialog mit den Opfern. Das alles hätte man sich in so einer Resolution im Klartext gewünscht. "Es müssen auch systemische Änderungen in den Blick genommen werden", heißt es stattdessen trübe. Was zu ändern ist, lehrt die Missbrauchsstudie - wozu noch untertanenhaft herumeiern? Die Bischöfe sind konkreter gefordert, als sie bisher wahrhaben wollten. Und Laien auch.

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Quelle:
SZ vom 03.12.2018
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