Süddeutsche Zeitung

Promi-Tipps für München und Bayern:Die Woche von Mirjam Zadoff

Die Leiterin des NS-Dokumentationszentrums freut sich in der Woche vom 13. bis zum 19. März auf Ausstellungen, spannende Gespräche über Demokratie und einen ungewöhnlichen Film. Ein Gastbeitrag.

Seit Mai 2018 ist Mirjam Zadoff Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München. Bereits mit einer der ersten, von ihr verantworteten Ausstellungen "Tell me about yesterday tomorrow" ließ sie eine neue Richtung erkennen, verlieh dem Haus ihre eigene Handschrift. Unter ihrer Leitung hat sich das Spektrum des Hauses erweitert, es ist ein Ort der Diskussion und des Austausches über die deutsche Vergangenheit und deren Relevanz für die Gegenwart und Zukunft Europas - und darüber hinaus - geworden.

Montag: Erinnerungskultur

Wie jeden Morgen beginne ich den Tag mit einer Tasse schwarzem Kaffee und einem Kräutertee. Heute arbeite ich zu Hause, um einen Katalogtext fertig zu bekommen, und ich bin froh über zwei Stunden konzentriertes Schreiben. Mittags treffe ich Romani Rose. Der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma ist heute nach München gekommen, um gemeinsam mit uns an den 80. Jahrestag der Deportation der Münchner Sinti und Roma zu erinnern. Die Angehörigen der Minderheit sind auch heute noch von Diskriminierung und rechter Gewalt betroffen: Unter den am Münchner OEZ ermordeten neun Menschen waren die Jugendlichen Janos Roberto Rafael und Giuliano Josef Kollmann; und in Hanau wurde Mercedes Kierpacz erschossen, deren Urgroßvater in Auschwitz ermordet worden war.

Dienstag: Anne Frank im Kino

Emails, Emails, Emails - wieviel Zeit hatten wir eigentlich, bevor uns dieser Wahnsinn ereilt hat? Klar, es lässt sich damit manches schnell lösen, aber ich bin trotzdem froh, dass wir als Team vieles in gemeinsamen Treffen erarbeiten. Für Ausstellungen, Veranstaltungen, Publikationen oder Seminare braucht es enge Abstimmung - und wenn es nur ein schneller Austausch an der Bürotür ist. Am Abend gehe ich ins Kino. Im Monopol läuft der neue Film des israelischen Regisseurs Ari Folman, "Wo ist Anne Frank?", im englischen Original, das will ich nicht verpassen. Der Animationsfilm über die Bedeutung der Erinnerung an den Nationalsozialismus im heutigen Europa, in dem Menschen auf der Flucht dem Ertrinken überlassen werden, ist ein Must see.

Mittwoch: Queeres Leben damals

Auf dem Weg ins Büro radle ich an der kleinen französisch-tunesischen Bäckerei in der Grillparzerstraße vorbei - das Café Saphir hat nicht nur die besten Croissants, sondern auch grandiose Roggenbrötchen. Ausstellungen sind mein Job, deshalb schaue ich auf dem Weg durch die Stadt oft in den Münchner Museen vorbei. Bei "Flowers forever" in der Kunsthalle ist mir wahrscheinlich zu viel los - wobei ich mir Kapwani Kiwangas Arbeit "The Marias" nicht entgehen lasse: Die zarte Installation zur Geschichte von versklavten Frauen bewegt mich sehr. In der Ausstellung "Kunst und Leben 1918-1955" zeigt das Lenbachhaus Arbeiten des palästinensisch-jüdischen Künstlers Jussuf Abbo, sowie die berührenden Marionetten von Israeliten und Israelitinnen, die die Münchner jüdische Künstlerin Maria Luiko Mitte der Dreißigerjahre anfertigte. Da es viele Parallelen zu unserer eigenen Ausstellung "To be seen. queer lives 1900-1950" gibt, bieten wir mit dem Lenbachhaus gemeinsame Rundgänge an.

Donnerstag: Fragile Demokratie

Gemeinsam mit meinen Kollegen und Kolleginnen brüten wir über den letzten Vorbereitungen für unsere große internationale Tagung "Fragile Demokratien - Fragile Democracies 1923, 1933, 2023", die nächste Woche von 22. bis 24. März stattfindet. Ausgehend von den zehn Jahren zwischen Hitlerputsch und Ermächtigungsgesetz wollen wir die Fragilität von Demokratien im weltweiten Kontext, in Vergangenheit und Gegenwart, diskutieren. Dazu kommen Forscher und Forscherinnen und Intellektuelle aus der ganzen Welt nach München, wir sind schon sehr gespannt!

Freitag: Inklusive Gastronomie

Ich gehöre zu den Menschen, die häufig vergessen, Mittagspausen einzuplanen - heute klappt es vielleicht wieder einmal und ich genieße einen großen Cappuccino und ein Sandwich in der Espresso-Bar des Balan Deli im Luitpoldblock. Die inklusive Gastronomie wird im Sommer wieder ein Pop-up-Café auf dem Vorplatz des Dokuzentrums betreiben. Darauf freue ich mich jetzt schon.

Samstag: Bahnbrechender Sound

Ein gemütlicher Samstagvormittag: Zu Hause gibt's Pancakes oder eine herzhafte Frühstücksbowl nach New Yorker Rezept - manchmal vermissen wir die USA, wo wir bis 2018 gelebt haben. Wenn das Wetter schön ist, mache ich eine Laufrunde im Park. Danach geht's zu dem Plattenladen, den ich kürzlich gegenüber dem Museum Brandhorst entdeckt habe. Vor kurzem kam ein neues Album von Kruder & Dorfmeister raus, in das ich jetzt, ein wenig nostalgisch, reinhören will. Anfang der Neunzigerjahre machte der bahnbrechende neue Sound des Duos weltweit Furore, damals habe ich in Wien gelebt und die beiden häufig live erlebt. Es war eine hoffnungsvolle Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, oder wie es in dem Song "Eastwest" von 1998 heißt: "Gotta passion, it's called peace".

Sonntag: Abschalten in den Bergen

Die Luft riecht schon nach Frühling. Wir packen ein paar Brote und eine Thermoskanne mit Kaffee ein, und los geht's Richtung Leitzachtal. Mal schauen, welcher Berg oder welche Alm es heute wird, Hauptsache steil und nicht zu überlaufen. Für mich die beste Art, so richtig abzuschalten.

Seit Mai 2018 ist Mirjam Zadoff Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München. Die an der Ludwig-Maximilians-Universität München promovierte und habilitierte Historikerin war zuvor als Professorin für Geschichte und Jüdische Studien an der Indiana University in Bloomington in den USA tätig. Gastprofessuren führten Zadoff unter anderem nach Zürich, Berkeley, Berlin und Augsburg. Sie schreibt Gastkommentare unter anderem für die SZ und die FAZ, lehrt an der Fakultät für Geschichte der LMU München und ist Herausgeberin und Autorin zahlreicher Bücher, Ausstellungskataloge und Artikel. Als Kuratoriums- und Beiratsmitglied engagiert sie sich für die Münchner Volkshochschule, das Zentrum für Israelstudien der LMU und das Hospiz Dasein.

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