Der Flügel muss noch repariert werden, also wird das Programm umgedreht: erst einmal Brahms, Dritte Symphonie. Das City of Birmingham Orchestra scheint beste Laune zu haben, zudem wirkt es vergleichsweise jung und weiblich, beim Brahms sind beispielsweise alle Hörner in Frauenhand. Es ist für musikmachende Menschen auch leicht, guter Dinge zu sein, wenn man von Mirga Gražinytė-Tyla dirigiert wird, auch wenn man an diesem Abend in der Isarphilharmonie zunächst ein klein bisschen irritiert ist, weil Gražinytė-Tyla gar nicht so sehr den hemdsärmeligen Überschwang verströmt, mit dem sie beispielsweise vergangenen Sommer in Salzburg Musiker und Publikum gleichermaßen hingerissen hat.
Erst einmal unterläuft sie Brahms' möglichen Heroismus mit fast scheuer, hellglänzender Poesie - und gelangt dann doch sehr bald zu der ihr ureigenen, mitreißenden Euphorie des Musikmachens. Es ist herrlich! Gražinytė-Tylas Charme, gegen den ein Stein machtlos wäre, kommt dann zu Beginn des zweiten Teils vollends zum Ausdruck: Vor Tschaikowskys Erstem Klavierkonzert wird ein unkrainisches Lied gesungen, "Ein Entlein schwimmt im Teich". Das Orchester steht und summt, schafft einen leuchtenden Klangraum, in den hinein Gražinytė-Tyla hell, rein und licht den Solopart singt und Gabriela Montero Klavier spielt.
Montero spielt Tschaikowskys Solopart danach mit oft hinreißender, dezidierter Ruhe und Klarheit, wurschtelt dort ein bisschen, wo es Tschaikowsky auch tut, Gražinytė-Tyla organisiert das Orchester mit sattem Wohlklang und bester Transparenz, kriegt auch wie kaum ein Dirigent hier die akustischen Eigenarten der Isarphilharmonie im Moment in den Griff - die Münchner Philharmoniker müssen sie unbedingt bald einladen. Der Saal ist fast voll, von wegen, die Leute haben Angst. Sie sind glücklich, gerade über Monteros Zugabe, eine Improvisation auf Zuruf: Aus einem Thema von Chaplin macht sie Bach und Tango, was für eine Musikerin!