Minderjährige Flüchtlinge in München:"Wir sind hoffnungslos überbelegt"

Minderjährige Flüchtlinge in München: Die Zahl der Jugendlichen und jungen Volljährigen bis 21 Jahre, die vom Jugendamt untergebracht werden, hat einen neuen Höchststand erreicht.

Die Zahl der Jugendlichen und jungen Volljährigen bis 21 Jahre, die vom Jugendamt untergebracht werden, hat einen neuen Höchststand erreicht.

(Foto: Robert Haas)

Das Münchner Jugendamt ist überfordert: Es muss sich um 80 Prozent der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge kümmern. Das will Sozialreferentin Brigitte Meier jetzt ändern.

Von Sven Loerzer

Die Landeshauptstadt München ist nicht mehr in der Lage, allen jungen Flüchtlingen, die ohne Eltern in Bayern einreisen, einen regulären Bettplatz in einer für sie geeigneten Unterkunft zu verschaffen. "Wir sind hoffnungslos überbelegt", sagt Sozialreferatssprecher Frank Boos.

Rund 70 Jugendliche haben nur provisorische Notplätze. Die Zahl der Jugendlichen und jungen Volljährigen bis 21 Jahre, die vom Jugendamt untergebracht werden, hat jetzt mit 1992 einen neuen Höchststand erreicht. Ende Juli waren es noch 1800. Allein in der Nacht zum Donnerstag sind 26 Jugendliche neu dazugekommen.

Weil die Überschreitung der von der Heimaufsicht überprüften und genehmigten Bettenzahl etwa durch Matratzenlager aus Jugendhilfesicht nicht tragbar ist, sich die Lage aber verschärft, hat Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) einen Brandbrief an die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) geschrieben. Denn auch das große Münchner Jugendamt ist überfordert, wenn es sich um rund 80 Prozent der in Bayern ohne Eltern ankommenden minderjährigen Flüchtlinge kümmern muss.

Bislang gebe es kein koordiniertes Verteilungsverfahren innerhalb Bayerns. Die Landeshauptstadt trage "mit Abstand die Hauptlast der Versorgung", heißt es in dem Schreiben. So seien allein in sechs Tagen rund 80 Jugendliche neu in München angekommen. Ihre Versorgung und Betreuung nach geltenden Jugendhilfestandards sei aber bei solch hohen Zahlen nicht mehr zu gewährleisten.

Bereits Mitte Juli hatte Jugendamtschefin Maria Kurz-Adam gewarnt: "Die Plätze in Augsburg, Nürnberg , Regensburg und München sind vollgelaufen." Wegen der "immens steigenden Zahlen" bei den jungen Flüchtlingen stoße die Stadt an Kapazitätsgrenzen sowohl bei der Unterbringung als auch bei der Betreuung, betonte Brigitte Meier.

Bayerische Jugendämter bisher wenig kooperativ

Eine Entschärfung der Situation ist nicht in Sicht, im Gegenteil: "Aufgrund der in den nächsten Tagen drohenden Überschreitung der Kapazitäten im Jugendhilfesystem laufen in meinem Haus derzeit Planungen, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kurzfristig in Hallen unterzubringen", erklärte die Sozialreferentin.

Dieses Vorgehen sei jedoch nicht mehr vom Kinder- und Jugendhilferecht gedeckt. Die Ministerin sei deshalb aufgefordert, dieser prekären Situation abzuhelfen, indem sie auf einen gleichmäßigen Ausbau von Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen in ganz Bayern hinwirke.

Die überwiegende Zahl der bayerischen Jugendämter sei bisher wenig kooperativ. Es müsse daher endlich eine bayernweit gleichmäßige Verteilung der jungen Flüchtlinge zwischen den Jugendamtsbezirken erfolgen, verlangte Brigitte Meier. Denn aufgrund der Einreisewege seien vor allem die Städte Passau und Rosenheim sowie der Landkreis Rosenheim und die Stadt München betroffen als Ziel vieler Züge aus dem Süden.

30 Jugendliche in einem ehemaligen Heizkraftwerk

Die Sozialreferentin forderte auch sicherzustellen, "dass die Bundespolizei von ihrer derzeitigen Praxis Abstand nimmt, in großen Teilen Südbayerns aufgegriffene unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach München zu verbringen". Dadurch werde die Zuständigkeitsvorschrift ausgehöhlt, nach der dasjenige Jugendamt zuständig für die Hilfe ist, in dessen Bezirk sich der Jugendliche zuvor aufgehalten hat.

Die meisten Jugendämter, die bislang nicht betroffen seien, verhielten sich aber wenig kooperativ, wenn es um Hilfe bei der Unterbringung geht. Die Sozialreferentin bat die Ministerin deshalb um einen "zeitnahen Gesprächstermin zu dieser äußerst ernsthaften Problematik" und appellierte an sie: "Lassen Sie uns nach Lösungen zur Vermeidung rechtswidriger Zustände im Bereich der Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge suchen."

Seit Anfang dieser Woche hat das Sozialreferat vorübergehend rund 30 Jugendliche in einem ehemaligen Heizkraftwerk an der Rosenheimer Straße 192 in Ramersdorf untergebracht. Für Heranwachsende im Alter zwischen 18 und 21 Jahren hat die Stadt 90 Plätze in leer stehenden städtischen Gebäuden geschaffen. Im Herbst soll ein weiteres Wohnprojekt mit 36 Plätzen eröffnen. Um das Sozialreferat in die Lage zu versetzen, die Arbeit zu bewältigen, hat der Stadtrat zuletzt im Juli elf zusätzliche Personalstellen geschaffen.

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