Verkehr:Söder will die Blockade der MVV-Reform mit viel Geld lösen

Berufsverkehr

Dieser Zug endet hier: Auf eine Reform der Ticketpreise müssen MVV-Kunden noch mindestens ein gutes Jahr lang warten.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Erstmals beteiligt sich der Freistaat an der Finanzierung eines Nahverkehrstarifes, das gaben Ilse Aigner und Markus Söder am Freitag bekannt.
  • Die künftigen Tarife nach der Reform sollen mit 35 Millionen Euro pro Jahr unterstützen werden. Hinzu kommen 15 Millionen Euro, um an den Außenästen der S-Bahn, wo noch 40-Minuten-Takte gelten, einen stabilen 20er-Takt einzurichten.
  • Dieter Reiter bedauert jedoch, dass es überhaupt keinen Vorschlag für ein Konzept gebe.

Von Andreas Schubert

Die Hoffnung stirbt zuletzt: Bei der Tarifreform des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes (MVV) hat der Protest einzelner Umlandgemeinden einen Erfolg erzielt. Erstmals beteiligt sich der Freistaat an der Finanzierung eines Nahverkehrstarifes. Am Freitag gaben Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Verkehrsministerin Ilse Aigner (CSU) bekannt, dass man die künftigen Tarife nach der Reform mit 35 Millionen Euro pro Jahr unterstützen wird. Für all jene Fahrgäste, die nach der von den MVV-Gesellschaftern eigentlich schon beschlossenen Reform deutlich mehr für ihre Zeitkarten hätten zahlen müssen, sollen damit Preissprünge geringer ausfallen oder sogar Verbesserungen möglich sein.

Die Gesellschafter des MVV sind die Landkreise im Verbundgebiet, der Freistaat und die Landeshauptstadt; am Freitag saßen deren Vertreter mit Söder und Aigner zusammen, um über mögliche Verbesserungen der umstrittenen Reform zu reden. Wie diese aussehen können, wird sich wohl erst im Januar zeigen. Bis dahin soll ein neues Tarifmodell ausgearbeitet werden, das das zusätzliche Geld des Freistaats berücksichtigt. Dann könnte die Reform frühestens im Dezember 2019 in Kraft treten. Damit haben die Planer des MVV eine sportliche Aufgabe vor sich. Denn Gesellschafter und Fachleute feilten rund drei Jahre an einer Lösung, die sie im Juli zunächst verabschiedeten, die anschließend aber auf immer mehr Ablehnung stieß. Jetzt wird noch einmal nachverhandelt.

Die Reform soll das bisherige System von vier Zonen und 16 Ringen, die für den Ticketkauf entscheidend sind, deutlich vereinfachen. Geplant war bislang, eine zentrale M-Zone einzuführen, die vor allem die Stadt München umfasst, und sechs Zonen im Umland. Dafür hatten die Experten herumgerechnet und für einzelne Gemeinden Verbesserungen erzielt, etwa indem sie sie tarifmäßig näher an die Stadt heranrückten. Doch das reichte vielen nicht. Die größten Bedenken kamen aus dem Landkreis München, der sich komplett in die M-Zone wünscht. Er hat nun ein mögliches Modell vorgelegt, bei dem die bisherigen Ringe eins bis acht alle in die M-Zone fallen (siehe Grafik). Das würde die Kosten für manchen Landkreis-Pendler halbieren und zöge Einnahmeausfälle von etwa 35 Millionen Euro im Jahr nach sich. Doch ob das so kommt, ist offen. Zu Details äußerte sich Aigner nicht, meinte aber, jetzt müsse der MVV so rechnen, dass die Härten herausgenommen werden, "so dass vielleicht am Schluss nur noch Gewinner herauskommen".

Auch Ebersbergs Landrat Robert Niedergesäß (CSU), der Sprecher der MVV-Landkreise, hält sich mit Prognosen über die Neuaufteilung der Zonen und mögliche Preise zurück. "Heute ist ein Tag der Freude", sagte er, nicht der Tag, um über Details zu sprechen. Dabei liegen schon verschiedene Modelle auf dem Tisch, bei denen es für Pendler von außerhalb mit Jahres- und Monatstickets deutliche Verbesserungen geben könnte.

Doch auch die Stadt München wird bei der Reform mitreden. Oberbürgermeister Dieter Reiter zeigte sich am Freitag mäßig begeistert. Zwar habe der Freistaat seine Blockadehaltung aufgegeben, indem er sich finanziell beteiligt. "Aber das hätte viel früher passieren müssen", sagte Reiter nach dem Treffen in der Staatskanzlei. Zu seinem Bedauern habe es überhaupt keinen Vorschlag für ein Konzept gegeben. Wenn so eines vorliege, müsse es zunächst von allen Kreistagen beschlossen werden. Erst dann werde er es dem Stadtrat zur Abstimmung vorlegen. "Jetzt wird es spannend, wie die Verteilungskämpfe ausgehen und ob wir das Ganze innerhalb von zwei Monaten in ein Konzept gießen, das alle überzeugt", sagte der OB.

Der Ministerpräsident tue, was vor einer Wahl opportun sei, sagt Reiter

Für ihn steht aber fest, dass das Geld des Freistaats nicht ausschließlich zugunsten der Umlandbewohner eingesetzt werden dürfe. Dafür bekäme er im Stadtrat keine Mehrheit, auch er selbst würde dagegen stimmen. Reiter kann sich in der Stadt zum Beispiel Verbesserungen bei den Seniorentarifen vorstellen oder eine weitere Abmilderung des Preissprungs für all jene MVV-Kunden, die bisher nur zwei Ringe brauchten, aber nun mit dem gesamten Innenraum, so Reiter, "zwangsbeglückt" würden. Nun sei eingetreten, was er befürchtet habe. "Dass der Ministerpräsident das tut, was vor einer Wahl opportun ist, nämlich zu sagen, es gibt Geld, aber dann zu sagen: Jetzt macht ihr mal." Reiter rechnet damit, dass es auch künftig Unzufriedene geben wird. Irgendjemand wohne immer hinter einer Tarifgrenze, "außer bei einer Bayernflatrate, aber dafür hat der Ministerpräsident zu wenig Geld ausgespuckt".

Söder erklärte, die MVV-Reform sei ein erster Schritt, den "Verkehrsstress" im Großraum München abzubauen. Sollte er bei seiner Ankündigung bleiben, bis Ende des nächsten Jahrzehnts ein 365-Euro-Jahresticket in Bayerns Ballungszentren einzuführen, wird der Freistaat noch viel Geld ausgeben müssen. Von 2020 an wolle er darüber mit den Kommunen sprechen, es gehe um riesige Summen, sagte Söder.

Er kündigte zudem an, dass der Freistaat neben dem Zuschuss zur Tarifreform 15 Millionen Euro jährlich zahlt, um an den Außenästen der S-Bahn, wo noch 40-Minuten-Takte gelten, einen stabilen 20er-Takt einzurichten. Wo das möglich ist, wird der MVV mit der Bahn ausarbeiten müssen. Konkrete Vorschläge dazu liegen noch nicht vor.

Zur SZ-Startseite
Sieben Ringe soll das Tarifsystem in München nur noch haben.

Tarifreform
:Neuer MVV-Innenraum soll größer werden

Profitieren würden Fahrgäste aus fast allen Landkreisen. Wer in einer Stadt oder Gemeinde in den neuen Tarifzonen 1 und 2 wohnt oder arbeitet, soll nur noch halb so viel zahlen wie bisher.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: