Süddeutsche Zeitung

Millionärin Böhringer: Prozess um Erbe:Die Zweifel bleiben

Fragen über Fragen bei der zivilrechtlichen Fortsetzung des Prozesses um die ermordete Millionärin Charlotte Böhringer: Die Rechtsmedizin kann nicht erklären, wie DNS-Spuren des verurteilten Neffen an die Kleidung der Toten kamen.

E. Müller-Jentsch

War Benedikt T. zweifellos der Mörder seiner reichen Erbtante Charlotte Böhringer? Und ist er deswegen erbunwürdig? Die Fragezeichen stehen mit Fug und Recht auch nach vier Prozesstagen noch hinter diesen beiden Sätzen. In der Verhandlung am Dienstag wurde deutlich, dass die zivilrechtliche "Fortsetzung" des spektakulären Mordprozesses noch geraume Zeit andauern dürfte.

Denn auch diesmal wurden dem Gericht keine Fakten geliefert, die eindeutig in die eine oder andere Richtung weisen. Vielmehr mag sich eine als Zeugin angehörte prominente Freundin der Ermordeten partout an nichts mehr erinnern. Und die danach befragte Expertin der Münchner Gerichtsmedizin kann nicht eindeutig sagen, wie und wann DNS-Spuren von Benedikt T. an die Kleidung der Toten gelangt war.

Marianna S., aus Klatschkolumnen bekannte Honorarkonsulin von Venezuela, ließ sich aus Sorge vor Pressefotografen quasi durch den Hintereingang, nämlich durch das sonst strikt vor der Öffentlichkeit abgeschottete richterliche Beratungszimmer in den Sitzungssaal im Justizpalast bringen. Sie war in den letzten Lebensstunden von Charlotte Böhringer im Mai 2006 mit ihr zusammen gewesen.

Die hatte sie wegen Handwerkern zu sich in das Penthouse über der Parkgarage gebeten, deren Arbeit sie gemeinsam begutachten wollten. Sie wisse von dem "Schockerlebnis" nichts mehr, ließ die Konsulin das Gericht wissen, kaum dass sie auf dem Zeugenstuhl Platz genommen hatte. "Ich habe alles verdrängt."

Nachdem sie diverse Fragen mehr oder weniger abgewimmelt hatte, wurde Benedikt T.s Anwalt Peter Witting nachdrücklich: "Sind Sie verärgert, heute hier aussagen zu müssen? Ich habe den Eindruck, dass Sie sich sperren." Sie sei doch die letzte Kontaktperson gewesen. "Und es geht um so viel." Marianna S.: "Ich habe es schon dreizehn Mal zu Protokoll gegeben, bitte lesen Sie es nach - das ist hier keine Dampfplauderstunde."

Besonders ärgerlich wurde sie, als Witting sich erkundigte, ob die Zeugin damals im Strafprozess Anlass gehabt habe, einen geringeren als den tatsächlichen Alkoholkonsum anzugeben. "So wird es im Urteil angedeutet", begründete er seine Frage. "Lächerlich", lautete die Antwort. Auch, was später in Zeitungen und im Bekanntenkreis über den Alkoholkonsum der Charlotte Böhringer geredet worden sei, meinte sie. Überhaupt verstehe sie nicht, "was ich hier in einer Erbauseinandersetzung zu suchen habe".

Damals, bei den letzten Stunden in der Böhringer-Wohnung, habe sie eigentlich nur endlich nach Hause fahren wollen. Von dem angebotenen Wein habe sie auch nichts getrunken: "Ich wollte ihn nicht, er schmeckte mir nicht." Eigentlich habe sie die Böhringer auch gar nicht so gut gekannt: Die Bekanntschaft sei vor allem durch die Beerdigung von Oskar Böhringer entstanden, bei der sie Charlotte geholfen habe.

Katja Anslinger, DNS-Expertin der Rechtsmedizin, kann nicht sagen, ob Benedikt T .s DNS durch ein früheres "Bussi-Bussi" an die Jacke gekommen sei, durch einen blutigen Handschuh bei der Tat, oder erst beim Auffinden.

Sinngemäßes Fazit der Expertin: Grundsätzlich ist nichts auszuschließen. Das gelte selbst für Spekulationen, ob die DNS durch feuchte Aussprache transportiert wurde. "Die ist ganz kalt, die ist ganz kalt - ach du Scheiße", soll Benedikt T. beim Anblick der Toten gesagt haben. Das Gericht will am 7. Juni bekannt geben, ob und wie das Verfahren fortgesetzt wird.

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SZ vom 13.04.2011/tob
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