Den völlig zerstörten Audi A4, der neben anderen mehr oder minder lädierten Autos steht, wollen sie bei Miles vom Pressefotografen lieber nicht abgelichtet haben. Eine nachvollziehbare Begründung gibt es dafür nicht, womöglich befürchtet der Carsharing-Anbieter, dass der Schrotthaufen, der mal ein Auto gewesen ist, potenzielle Kunden abschreckt. Das bleibt reine Spekulation des Betrachters. Immerhin erfährt man, dass es dem Fahrer, der sich mit dem A4 überschlagen hat, gut gehe.
In der Werkstatt des Carsharing-Unternehmens Miles im Echinger Gewerbegebiet, wo sich auch die bayerische Geschäftsstelle befindet, haben die Mitarbeiter alle Hände voll zu tun. Denn mit den Leihautos gehen die Nutzer nicht immer so sorgsam um, wie es vielleicht mit einem eigenen Pkw der Fall wäre. So müssen immer wieder am Randstein kaputt gefahrene Reifen ersetzt, Lackschäden ausgebessert und Fahrzeuge für den TÜV vorbereitet werden.

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Und dann gibt es noch das Problem mit den in Majuskeln aufgeklebten MILES-Schriftzügen. Spaßvögel reißen gerne vom großen E ein Fitzelchen ab, dann wird aus dem MILES ein MILFS. Das ist ein - ohne ins Detail zu gehen - eher vulgärer sexualisierter Begriff für reifere, attraktive Frauen, der durch die Jugendklamotte „American Pie“ vor mehr als 25 Jahren Verbreitung fand. Das finden sie beim Unternehmen nicht ganz so witzig, schließlich kostet das Ausbessern Geld.
2300 Fahrzeuge betreibt Miles in München, 200 davon sind große Sprinter-Lieferwagen. Es waren schon einmal 3000 Fahrzeuge, aber als das Unternehmen auch in Augsburg, dem zweiten Standort in Bayern, an den Start ging, wurde die Flotte neu aufgeteilt. Nach Nürnberg hatte Miles ebenso die Fühler ausgestreckt, dort besteht aber nach Auskunft von Miles-Sprecherin Nora Goette kein Interesse.
Vor genau vier Jahren startete Miles in München mit 400 Autos, die Lieferwagen gab es schon seit 2019. Neu war damals, dass das Unternehmen die Kosten nach gefahrenen Kilometern abrechnet und nicht nach der Leihdauer, wie es bei der Konkurrenz üblich ist. Der größte Konkurrent im sogenannten Free-Floating-Geschäft, bei dem es keine festen Standorte für die Autos gibt, ist in München der Anbieter Free2Move (Share Now), der zum Stellantis-Konzern gehört und knapp 1000 Autos auf der Straße hat. Der Autovermieter Sixt bietet ebenso Carsharing an, nennt aber keine Zahlen. Dann gibt es noch das Münchner Start-up Carvia, das derzeit 150 Fahrzeuge anbietet, vor allem aus den gehobenen Klassen. Der seit 1992 aktive Anbieter Stattauto betreibt 450 Autos, die sind aber an festen Standorten stationiert.

Die Carsharing-Firmen passen ihr Angebot immer wieder an. So sind etwa die Geschäftsgebiete gewachsen, das von Miles deckt inzwischen nach eigenen Angaben 80 Prozent des Stadtgebiets ab. Dazu kommen noch einzelne „Inseln“ im Umland, an denen man Autos mieten und zurückgeben kann, etwa in Ismaning, Unterföhring, Garching und am Flughafen. Den Standort in der Stadtrandgemeinde Neuried hat Miles im Herbst 2024 wieder aufgegeben, es habe sich nicht rentiert, erklärt Bayern-Regionalmanager Tobias Werner. Auch die Ausweitung des Angebots auf das gesamte Stadtgebiet lohne sich nicht, erklärt er. Die Fahrzeuge würden in den Randgebieten zu selten genutzt.
Einen großen Verkehr mit Carsharing-Autos gibt es laut Werner zwischen Augsburg und München, vor allem immer dann, wenn es bei der Bahn Probleme gibt. Auch zum Flughafen, wo es im Parkhaus P20 einen eigenen Bereich für alle Free-floating-Anbieter gibt, fahren viele Kunden mit Carsharing-Autos. Manchmal stehen am Airport Hunderte solcher Leihautos herum, wenn aber viele Passagiere gleichzeitig landen, passiert es immer wieder, dass das gesamte Angebot erschöpft ist.
Dass sich die Autos gleichmäßig verteilen, dafür sorgen die Kunden in der Regel selbst. Eingreifen muss Miles allerdings oft an den Münchner Wertstoffhöfen, insbesondere in Thalkirchen. Dort liefern die Kunden ihr Gerümpel mit einem gemieteten Sprinter an, lassen das Gefährt dann an einem öffentlichen Parkplatz in der Nähe stehen und radeln nach Hause. Das hat schon zu Beschwerden geführt, weshalb die Mitarbeiter immer wieder die Fahrzeuge umparken.

Die Stadt München sieht im Carsharing einen Beitrag zur Verkehrswende, weil es helfen soll, die Zahl der Privatautos zu reduzieren. Deshalb weist das Mobilitätsreferat immer mehr Parkplätze speziell für Carsharing aus. 704 sind es derzeit an 138 Standorten. Bis Ende 2026 sollen es 1600 werden. Die Stellplätze sind gekennzeichnet mit einem Verkehrszeichen, das zwei Männer- und zwei Frauensymbole zeigt, die um ein Auto herum stehen, das in der Mitte auseinander geschnitten ist. Ein Symbol fürs Teilen, das aber auch irgendwie an den demolierten Audi in der Echinger Werkstatt erinnert.