Süddeutsche Zeitung

Milbertshofen:Platz da!

Beim Sportgespräch für den Münchner Norden finden sich Vereinsvertreter aus der ganzen Stadt ein. Viele treibt das gleiche Problem um: Es mangelt eklatant an Übungsflächen

Von Fabian Huber, Milbertshofen

Wenn im Winter die Sonne früh hinter dem Horizont verschwindet, spielt sich im Westen des Englischen Gartens ein sonderbares Ritual ab: Breitschultrige Männer kurbeln dann zwei mobile Flutlichtmasten aus. An Torpfosten montieren sie Bauleuchten - damit sie einen eierförmigen Ball über einen Rasen tragen können, der mit seinen Dellen, einem granitharten Untergrund und dem ganzen Split für ihren Sport absolut untauglich ist.

Gut eine Stunde dauern die Auf- und Abbauarbeiten der Abteilung "Studentenstadt Rugby München" des SV Studentenstadt Freimann vor jedem Wintertraining. Weil sich der Sportplatz in einem Schutzgebiet befindet, darf darauf nicht gebaut werden. Kein Zaun. Und auch keine Flutlichtanlage. "Unser Rasen ist in der Liga nicht sehr beliebt", sagt Georges Besenius, Abteilungsleiter des Rugby-Zweitligisten.

Also sitzt er an diesem Abend im schmucklosen Seminarraum des TSV Milbertshofen, um zu erzählen, wo seine Rugbyspieler der Schuh drückt. Großes Hallo und Händeschütteln - Diana Stachowitz, sportpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, hat zum Sportgespräch für den Münchner Norden eingeladen und fachliche Unterstützung mitgebracht: Verena Dietl, sportpolitische Sprecherin der SPD-Stadtratsfraktion, und Beatrix Zurek, Münchner Bildungs- und Sportreferentin.

Es ist die 17. Auflage des Bürgergesprächs. Das Format scheint mittlerweile eine Strahlkraft weit über den Münchner Norden hinaus entwickelt zu haben. Unter die rund 70 Vereinsvertreter haben sich auch viele neue Gesichter gemischt. Es sollte an diesem Abend also um Probleme aus ganz verschiedenen Stadtbezirken gehen. Und die, wirft Dietl zu Beginn ein, lägen ja oft nicht am Geld - immerhin habe die Stadt München vergangenes Jahr 72 Millionen Euro für Sport ausgegeben - sondern "manchmal an den kleinen Tücken".

Auf die Situation des FSV Harthof trifft das wohl zu. Auf dem Platz, da läuft es für den Fußballklub. Das erste Herrenteam ist Spitzenreiter der Kreisliga 2. Wie dieser Platz aber aufbereitet wird, bekümmert Vorsitzenden Günther Bretz. Der FSV teilt sich die Bezirkssportanlage Lerchenau mit zwei anderen Vereinen. Die Stadt stellt zwei Platzwarte. Ist einer davon krank oder im Urlaub, bleibt die Wartung des Rasens an Bretz und seinen Kollegen hängen. "Die Koordination ist katastrophal", sagt Bretz. "Zwei Warte können einen Platz nicht abarbeiten", gesteht Sportreferentin Zurek. Deshalb habe die Stadt kürzlich 16 zusätzliche Stellen geschaffen und befinde sich weiter im Austausch mit dem Bayerischen Fußballverband.

Überhaupt Bezirkssportanlagen. Das Problem mit den Platzwarten kennt Herrmann Eggerl von der Münchener Sportvereinigung Bajuwaren auch. Vielmehr aber ärgern ihn die hohen Gebühren. 12 000 Euro Zuschüsse habe sein Verein im vergangenen Jahr bekommen, knapp 10 000 Euro davon musste er für die Platznutzung der Bezirkssportanlage an der Görzer Straße in Ramersdorf wieder zurückzahlen, rechnet Eggerl vor. Freundschaftsspiele, Flutlichtnutzung, Spielbetrieb - "ein Nullsummenspiel." Antwort Zurek: Die Nutzung werde "sowieso schon gesponsert". Im Zweifel müsse man aber Korrekturen anbringen.

Eigentlich aber steht Fußball heute eher im Hintergrund. Viele melden sich, um klarzumachen: "Für unsere Sportart muss auch irgendwie Platz und Geld da sein." Hermann Ferstl zum Beispiel. Für ihn ist es ein Heimspiel, er ist Abteilungsleiter Skisport des TSV Milbertshofen und wünscht sich mehr Unterstützung für den Alpinsport "in der Breite. Wir können das Skifahren nicht nach München verlagern." Doch die Lift- und Buskosten fressen eben viel Geld auf. Zurek lenkt ein: "Sportgerechtigkeit ist wichtig. Man muss Skisport jedem zugänglich machen." So sei eine Unterstützung über Stiftungen denkbar.

Über mangelnden Zulauf brauchen sich die München Rangers nicht beschweren. Dank Football-Boom zählt der Verein mittlerweile etwa 400 Mitglieder. Doch es fehlt eine Heimat, wie Vizepräsident Florian Fendt betont. "Wir werden von einer Halle zur nächsten geschoben." Heißt: dienstags teils anderthalb Stunden mit der Tram zum Freizeitpark Grünwald. Freitags dann nach Neuhausen an den Sportplatz des Adolf-Weber-Gymnasiums. "Wir würden uns gerne irgendwo zuhause fühlen."

Ziel sei "ein Gleichklang der beiden Football-Vereine", sagt Zurek. Die Cowboys trainieren inzwischen fest an der Görzer Straße. Ähnliches könnte für die Rangers im Obersendlinger Siemens-Sportpark infrage kommen. Und auch für den geplanten Sportpark Freiham sollen die Footballer auf dem Zettel stehen. Dazu wird es Ende Mai ein Gespräch mit dem Sportreferat geben. Allerdings steht die nächste Hürde schon bevor: Das Dantestadion, in dem sowohl Rangers als auch Cowboys ihre Spiele austragen, soll bald erneuert werden.

Und auch ein Dauerbrenner unter den Münchner Sportthemen kommt auf den Tisch: die leidige Debatte um die Sanierung der Regattastrecke in Oberschleißheim, die der Stadtrat nun schon seit Jahren verschleppt. "Es muss was passieren", fordert Oliver Bungers, Präsident des Bayerischen Kanuverbands. Zureks Antwort dürfte ihn wenig milde stimmen: "Was lange währt, wird endlich gut. Beschließen muss es aber der Stadtrat."

Ansonsten aber tun sich die ganz großen Konfliktgräben nicht auf an diesem Abend. Vielmehr zeigt sich, was eine Stadt, die wächst und wächst und nicht mehr weiß, wohin sie wachsen soll, im Kern umtreibt: Wie nutzen wir in Zukunft den spärlichen Platz gemeinsam und effizient? Die Stimmung bleibt entspannt. "Wir hatten schon Sportgespräche, da haben wir über jede Flutlichtanlage diskutiert", sagt Diana Stachowitz zwischen den Fragerunden.

So ganz ohne Flutlichtanlage kommt das diesjährige Sportgespräch aber auch nicht aus. Und so stellt Zurek dem Team von Studentenstadt Rugby München die Sportanlage an der Osterwaldstraße als Ersatz für ihren löchrigen, lichtlosen Platz im Englischen Garten in Aussicht. Die Stadt hat das Gelände im vergangenen Jahr in Erbpacht übernommen. Wenn alles klappt, spielt der Klub schon zur nächsten Saison auf einem richtigen Rasen. Ganz ohne Schufterei.

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Quelle:
SZ vom 10.05.2019
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