Mietwucher in München:Schutzlos ausgeliefert

Elendshaus in Kirchtrudering

Weil das Verfahren gegen den Vermieter des Kirchtruderinger Elendshauses eingestellt wurde, fordern Politiker eine Veränderung des Mietwucherparagrafen.

(Foto: Haas)
  • Gegen die skrupellos hohen Mieten, die mancher Vermieter in München von Menschen in Notlagen verlangt, gibt es keine Handhabe.
  • Gutachter sind auf die Mithilfe der Mieter angewiesen - doch die sind oft schon ausgezogen, wenn es überhaupt zu einem Verfahren kommt.
  • SPD und Grüne halten den Mietwucherparagrafen für "dringend reformbedürftig".

Von Sven Loerzer und Frank Müller

Vermieter, die aus der schwierigen Situation auf dem Münchner Wohnungsmarkt besonders skrupellos Kapital schlagen, haben offenbar wenig zu befürchten. Gegen den Vermieter des Kirchtruderinger Elendshauses, in dem bis zu 70 Bulgaren auf engstem Raum untergebracht waren, hat die Staatsanwaltschaft München I das Ermittlungsverfahren wegen strafbaren Mietwuchers eingestellt. Und obwohl das Wohnungsamt anschließend ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf die Ordnungswidrigkeit der Mietpreisüberhöhung eingeleitet hat, dürfte der Vermieter völlig ungeschoren davonkommen.

Das Wohnungsamt sei bei seinen Ermittlungen "auf die Mitwirkung der betroffenen Mieter angewiesen", erklärt Sozialreferatssprecher Frank Boos. Für jedes Mietverhältnis müsse festgestellt werden, welche Miete konkret für welche Räume gefordert und bezahlt wurde. "Für ein mögliches Gerichtsverfahren werden Unterlagen wie Mietvertrag, Mietzahlungsbelege, Betriebskostenabrechnungen benötigt", sagt Boos. Zudem müsse ein Sachverständiger des Wohnungsamts zur Ermittlung der zulässigen ortsüblichen Vergleichsmiete die Räume begutachten. Ohne Mitwirkung der betroffenen Mieter - sie sind wegen der Räumung des Hauses möglicherweise nicht mehr greifbar - lasse sich das Ermittlungsverfahren nicht durchführen.

Verfahren sind schwierig zu führen

Doch selbst wenn es gelingt, Kontakt mit den ehemaligen Mietern zu bekommen, bleibt das Verfahren schwierig: "Es muss nachgewiesen werden, dass die überhöhte Miete infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen vereinbart wurde", sagt Boos. Dazu hat der Bundesgerichtshof (BGH) hohe Anforderungen gestellt. "Nach der einschlägigen Rechtsprechung muss der Mieter darlegen, welche Bemühungen bei der Wohnungssuche er bisher unternommen hat, weshalb sie bisher erfolglos geblieben sind und dass er mangels Ausweichmöglichkeit auf den Abschluss des ungünstigen Mietverhältnisses angewiesen war", erläutert Boos. "Wer die geforderte Miete ohne weiteres oder aus persönlichen Gründen zu zahlen bereit ist und eine objektiv bestehende Ausweichmöglichkeit nicht wahr nimmt", werde, so die restriktive Rechtsprechung, nicht ausgenutzt.

Damit sei der Vollzug des Ordnungswidrigkeitsverfahrens nach dem Wirtschaftsstrafgesetz in der Praxis "fast undurchführbar", bedauert Boos. So habe es in den vergangenen Jahren "nur vereinzelt Bußgeldverfahren" wegen Mietpreisüberhöhung gegeben. Bei den 20 Häusern, die das Sozialreferat auf der Liste "Prekäres Wohnen" führt, prüft das Wohnungsamt in zwei Fällen Ermittlungen zur Mietpreisüberhöhung. Die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.

Der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Andreas Lotte, hält den Mietwucherparagrafen für "dringend reformbedürftig". Gerade im Hinblick auf die "Zwangslage" sei die Beweisführung nach der derzeitigen Rechtsprechung fast unmöglich. "Es nimmt daher kaum Wunder, dass die Bayerische Strafverfolgungsstatistik für 2013 in ganz Bayern nur fünf Strafverfahren wegen Mietwuchers ausweist", sagt Lotte. Dabei kam es lediglich in einem Fall zur Verurteilung. Die Argumentation der Staatsanwaltschaft, die darauf hinausläuft, dass die Bulgaren freiwillig nach München und in das Elendshaus in Kirchtrudering gezogen seien, sei "leider Alltagspraxis". Der Mietwucherparagraf müsse deshalb so geändert werden, dass aus ihm "ein effektiver strafrechtlicher Schutzmechanismus" werde.

Die Notlage von Menschen wird ausgenutzt

Mit der Einstellung des Ermittlungsverfahrens öffne die Staatsanwaltschaft "Tür und Tor für Mietspekulanten, welche die offensichtliche Notlage von Menschen ausnutzen", kritisierte Gülseren Demirel, Fraktionschefin von Grünen und Rosa Liste im Rathaus. "Wir brauchen dringend ein bayerisches Mietaufsichtsgesetz und einen geänderten Wucherparagrafen, der nicht die Täter schützt, sondern den Opfern hilft", fordert Demirel. "Bund und Land müssen hier schnellstmöglich tätig werden." Bis dahin sollten alle, die Justiz miteingeschlossen, "an einem Strang ziehen, um klar zu machen, dass wir solche Verhältnisse in dieser Stadt nicht haben möchten und auch nicht dulden".

Auch Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) tritt für ein neues Wohnraumaufsichtsgesetz ein, um ein wirksames Instrument gegen skrupellose Vermieter zu haben. Das aber lehnt die CSU im Landtag ab. Mit dem Gesetz will die SPD Kommunen mehr Aufsicht über den Wohnungsmarkt zuweisen. CSU-Innenminister Joachim Herrmann dagegen warnt, dies sei "der erste Schritt zum Sozialismus in Reinkultur".

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