Vor knapp einem Jahr ist Michael M. in seine Wohnung gezogen: 1200 Euro warm für 45 Quadratmeter in der Maxvorstadt. Das entspricht 26,67 Euro pro Quadratmeter. Er hatte zuvor lange gesucht, aber keine andere Wohnung gefunden. "Also habe ich den Mietvertrag notgedrungen unterschrieben", sagt der 33-Jährige. Später fand er heraus, dass die ortsübliche Nettokaltmiete laut dem städtischen Mietspiegel 12,48 Euro pro Quadratmeter beträgt. Für seine Wohnung wären das insgesamt 561,60 Euro.
Michael M. bezahlt allerdings 1100 Euro kalt - also ziemlich genau doppelt so viel. Er habe seinen Vermieter darauf angesprochen, doch der habe nicht mit sich reden lassen. Deshalb hat sich M. entschieden, mit Hilfe des Mietervereins Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft München I zu stellen. "Das kann doch nicht rechtens sein", sagt er.
Nach gängiger Rechtssprechung ist der sogenannte Wucherparagraf im Strafgesetzbuch erfüllt, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete um 50 Prozent überschritten ist. Im Fall von Michael M.s Wohnung wäre das schon bei einer Nettokaltmiete von 842,40 Euro der Fall. Wichtig für die Erfüllung des Straftatbestands ist, dass "die Zwangslage", "Unerfahrenheit", der "Mangel an Urteilsvermögen" oder "die erhebliche Willensschwäche eines anderen" ausgebeutet werden. Für München, so der Mieterverein, hätten die Gerichte bisher meist so entschieden, dass auf dem Wohnungsmarkt keine Zwangslage vorliege - da es an sich genügend Wohnraum gebe.
Der Mieterverein habe seit vielen Jahren nicht mehr versucht, über eine Strafanzeige Mietwucher geltend zu machen, sagt dessen Geschäftsführer Volker Rastätter. Doch mit der Entwicklung der Mietpreise in den vergangenen Jahren hätten Mieter immer weniger Chancen, am Markt eine bezahlbare Wohnung zu bekommen. Deshalb findet Rastätter, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Für ihn ist klar: "Es gibt eindeutig eine Zwangslage für Mieter am Münchner Wohnungsmarkt." Deshalb habe man dem Mitglied Michael M. empfohlen, Strafanzeige zu stellen, "damit die Münchner Gerichte ihre Rechtsauffassung nochmals überprüfen können".
Sollte die Rechtsauffassung so bleiben und in letzter Instanz entschieden werden, dass Mieter in München keiner Zwangslage unterlägen, sei klar, dass der Paragraf nicht funktioniere. Dann müsse die Politik ihn ändern. Sollte hingegen tatsächlich einmal ein Vermieter wegen Wuchers verurteilt werden, könne das eine abschreckende Wirkung entfalten.
Eine andere Art, gegen extrem hohe Mieten vorzugehen, wäre die Mietpreisbremse im Zivilrecht. Doch diese ist für München nach wie vor gar nicht anwendbar. Dafür müsste die bayerische Staatsregierung erst einmal eine neue Verordnung erlassen. "Auch das muss sich schnellstens ändern", fordert Rastätter.