Süddeutsche Zeitung

Prozess in München:Immobilienbesitzer verlangen Einblick in Mietspiegel

  • Der Haus- und Grundbesitzerverein kritisiert, dass die Stadt bei der Erhebung des Mietspiegels trickse, um die Mieten zu drücken, und verlangt Einblick in die Daten.
  • Die Stadt lehnt die Weitergabe der Daten mit Verweis auf den Datenschutz ab.
  • Der Vorsitzende Richter ließ durchblicken, dass die Stadt wohl doch Teile der Daten, die dem Mietspiegel 2017 zugrundeliegen, herausgeben muss.

Aus dem Gericht von Sebastian Krass

Im Rechtsstreit um den Münchner Mietspiegel zeichnet sich in zweiter Instanz ein Teilerfolg für den Haus- und Grundbesitzerverein München (kurz: Haus und Grund) ab. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ließ der Vorsitzende Richter Dieter Zöllner am Mittwoch durchblicken, dass die Stadt wohl doch Teile der Daten, die dem Mietspiegel 2017 zugrundeliegen, herausgeben muss. "Es kann nicht sein, dass der Mietspiegel komplett nicht-überprüfbar ist", sagte Zöllner. "Aber wir werden darauf achten, dass keine personenbezogenen Daten herausgegeben werden. Davor braucht kein Bürger Angst zu haben." Eine Entscheidung erging noch nicht, sie ist für Montag angekündigt.

Der "qualifizierte Mietspiegel", so der offizielle Name, ist ein wichtiges Instrument, weil er etwa vor Gericht als Entscheidungsgrundlage gilt, wenn um die Rechtmäßigkeit einer Mieterhöhung gestritten wird. Die Erstellung ist per Bundesgesetz geregelt. So dürfen beispielsweise nur Wohnungen eingehen, die, ausgehend vom Zeitpunkt der Befragung, in den vergangenen vier Jahren neu vermietet worden sind oder deren Miete verändert worden ist. Wohnungen mit älteren Verträgen, die meist günstiger sind, und geförderte Wohnungen sind ausgeschlossen. Dem Mietspiegel 2017 zufolge lag die durchschnittliche Nettokaltmiete pro Quadratmeter bei 11,23 Euro (im neuen Mietspiegel 2019 sind es 11,69 Euro).

Rudolf Stürzer, der Vorsitzende von Haus und Grund München, kritisiert seit Jahren, dass die Stadt bei der Erhebung des Mietspiegels trickse, um die Mieten zu drücken. Deshalb wolle man überprüfen, welche Wohnungen einfließen und welche nicht. Die Stadt widerspricht den Vorwürfen vehement: "Selbstverständlich" halte man alle Vorgaben ein. Die Weitergabe der Daten lehnt sie mit Verweis auf den Datenschutz ab. In erster Instanz gab ihr das Verwaltungsgericht recht.

Zu Beginn der Verhandlung in zweiter Instanz betonte Richter Zöllner, dass es nicht etwa um die Gültigkeit des Mietspiegels gehe, wie es manchmal heiße, sondern um die Herausgabe von Daten. Dafür aber setze das bayerische Datenschutzgesetz enge Grenzen. Weil Behörden dem Statistikgeheimnis, das auf ähnlicher Stufe stehe wie das Steuergeheimnis, verpflichtet seien, dürften Informationen nur herausgegeben werden, wenn sie keinesfalls auf einzelne Personen zu beziehen sind. "Diese dogmatische Sicht teile ich nicht, weil dann jede Form von Statistik einen Auskunftsanspruch aushebelt", sagte dazu Christoph Brüning, der Anwalt von Haus und Grund. Der städtische Jurist Benedikt Weigl erwiderte, das Statistikgeheimnis sei zurecht "extrem hoch gehängt", sonst wären Umfragen wie für den Mietspiegel nicht mehr möglich, weil die Befragten Angst um ihre Daten hätten.

Weigl führte auch an, die Stadt könne die Daten nicht herausgeben, weil sie die gar nicht habe. Sie lägen beim Marktforschungsinstitut Kantar TNS und dem Statistik-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), die den Mietspiegel im Auftrag der Stadt erstellen. Im übrigen sei der Auskunftsanspruch unverhältnismäßig. Denn die Daten müssten eigens aufbereitet werden, das verursache Kosten, damit müsse man den Stadtrat befassen. Diese Argumente sah das Gericht allerdings skeptisch.

Und so nahm einen guten Teil der Verhandlung die Frage ein, welche Details aus den 3322 für den Mietspiegel geführten persönlichen Interviews herausgegeben werden dürfen, ohne dass sie einen Rückschluss auf die dahinter liegenden Personen zulassen. Das Gericht befragte dafür Vertreter von Kantar TNS und der LMU und schälte heraus, dass es vertretbar sein könnte, die Monatsmiete auf die Zehnerstelle gerundet (also etwa 1590 statt 1593,45 Euro), die Wohnungsgröße und das Stadtviertel weiterzugeben. Einzelne Straßen oder gar Hausnummern hingegen wären zu detailliert. Außerdem ließ das Gericht erkennen, dass Haus und Grund Zugriff auf die Daten von 30 779 in einem früheren Schritt geführten Telefoninterviews bekommen könnte. Diese Gespräche wurden als "nicht mietspiegelrelevant" klassifiziert, etwa weil der Angerufene angab, Wohnungseigentümer zu sein oder in einer geförderten Wohnung zu leben.

In einer ersten Reaktion sagte Haus-und-Grund-Chef Stürzer: "Das Gericht hat heute klar gemacht, dass die Stadt sich nicht hinter Dritten verschanzen kann, um Informationsansprüche zu unterlaufen." Allerdings müsse man diskutieren, ob der Begriff der "personenbezogen Daten" wirklich so streng ausgelegt werden müsse wie in dieser Verhandlung. Das Sozialreferat, das bei der Stadt für den Mietspiegel verantwortlich ist, gab am Mittwoch keine Stellungnahme zum Verlauf der Verhandlung ab. Man wolle die Entscheidung des Gerichts abwarten, erklärte ein Sprecher. (Az: 4 B 18.1515)

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SZ vom 09.05.2019/kaal
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