Mietshäuser als Nachlass:Wer reich erbt, soll auch Steuern dafür bezahlen

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Ausnahmen verzerren nur und sind nicht gerechtfertigt

Leserbrief "Gentrifizierung durchs Finanzamt" vom 8. November sowie "Lieb und teuer" vom 3./4. November und die Frage, ob in Mietswohnhäusern in Familienbesitz im Erbfall steuerliche Vergünstigungen gerechtfertigt erscheinen, um günstigen Mieten zu bewahren:

In Ihrem Artikel berichten Sie von einem Immobilienerben, der sich angeblich aufgrund der Erbschaftsteuer zu Mieterhöhungen gezwungen sieht. Das gewählte Beispiel ist journalistisch interessant, aber politisch nicht repräsentativ und irreführend. Mit dem geerbten Vermögen von 3,5 Millionen Euro und der schuldenfreien Eigentumswohnung überspringt der be-schriebene Erbe die Grenze zum vermögendsten einen Prozent der Deutschen (Richtwert: circa 1 Million Euro) spielend. Von der Minderheit derer, die überhaupt erbt, zahlen dank großzügiger Freibeträge (im beschriebenen Fall mehr als 1 Million Euro) die wenigsten überhaupt Steuern. Über am Ertragswert ausgerichtete Bewertung und eine Stundung der Erbschaftssteuer kann man das Problem sehr viel eleganter lösen als durch das in Ihrem Beitrag vorgeschlagene Geschenk an die Allerwohlhabendsten.

Der für die Bezahlung der Steuern nach Ihrem Artikel nötige Kredit für das ganze Haus ist pro Erbe nur unbedeutend höher als der, den ein Durchschnittsdeutscher für den Kauf einer Eigentumswohnung in München benötigen würde. Zieht man von den von Ihnen beschriebenen Mieteinnahmen von 115 000 Euro grob die üblichen Ausgaben für Verwaltung und Instandhaltung (284 Euro pro Wohnung, 15 Euro pro Quadratmeter) und die Zinsen für den Kredit (10 000 bis 20 000 Euro) ab, bleibt nach meiner Berechnung immer noch genug, um den beiden Erben ganz ohne zu arbeiten ein Medianeinkommen und eine kostenfreie Wohnung zu finanzieren (weil das Durchschnittseinkommen durch die Bezieher sehr hoher Einkommen nach oben gezogen werden kann, verwendet die Sozialwissenschaft gerne stattdessen das Medianeinkommen, auch als "mittleres Einkommen" bezeichnet, also den Wert, bei dem es genauso viele Menschen mit einem höheren wie mit einem niedrigeren Einkommen gibt; d. Red.). Wieso da weitere 17 250 Euro (Mieterhöhung um 15 Prozent) und der beschriebene Enthusiasmus und guter Wille nötig sind, um bei Null rauszukommen, ist für mich nicht ersichtlich.

Selbst wenn man der dargestellten Argumentation folgt und in diesem Einzelfall eine Mieterhöhung nötig wird, ist die Schlussfolgerung im Text falsch. Die großzügigen Ausnahmen für Unternehmen waren ein riesiges Steuergeschenk für die Allerwohlhabendsten. Sie haben dafür gesorgt, dass die Erbschaftssteuerlast mit steigendem Erbe sinkt, anstatt zu steigen, und führen nicht einmal dazu, dass Arbeitsplätze erhalten werden. Um Mietsteigerungen in ihrem Beispiel zu verhindern, würde es ebenso ausreichen, wenn man anstatt des Verkehrswerts den Ertragswert anhand der tatsächlichen Mieten besteuert.

Für die meisten Immobilien- und Unternehmenserben ist es aber ohne weiteres möglich, die Erbschaftssteuern aus den zukünftigen Einnahmen zu finanzieren (nach meinen Rechnungen auch in dem von Ihnen beschriebenen Fall), und wenn man die Steuer stundet, müssen nicht mal Kredite aufgenommen werden.

Die Erbschaftssteuer ist nicht nur ökonomisch eine der besten Steuern (weil sie nicht zu Verzerrungen führt), sie ist darüber hinaus gerecht (weil sie leistungsloses Einkommen besteuert und zumindest annähernd für gleiche Startchancen sorgt) und entspricht unserem modernen Selbst-verständnis: Genauso, wie der Sohn des Königs nicht automatisch der beste König ist, ist auch der Unternehmens- oder Immobilienerbe nicht automatisch der bessere Manager oder Vermieter. Christoph Trautvetter, Berlin

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