Süddeutsche Zeitung

Roller-Sharing:ADAC kritisiert Mietrollerangebot von Emmy

  • Das Start-Up Emmy verleiht Elektroroller: Der Nutzer registriert sich über eine App mit seinem Führerschein und kann die Roller dann benutzen.
  • Der ADAC kritisiert, dass Kunden im Schadensfall ihre Unschuld beweisen müssen. Normalerweise gelte im deutschen Recht der umgekehrte Grundsatz.
  • Emmy weist die Kritik zurück: Man müsse sicherstellen, dass sich Kunden nicht mit einem "das war ja schon" rausreden können.

Von Andreas Schubert

Vor einem Jahr sind sie auf Münchens Straßen aufgetaucht. Seither sind die elektrisch betriebenen Leihroller des Berliner Start-ups Emmy überall im Stadtzentrum zu sehen. In München arbeitet Emmy mit der Green-City AG zusammen, die die Roller mit Ökostrom versorgt. Inzwischen ist die Flotte von 50 Rollern auf 180 angewachsen, bis zum Herbst sollen es 400 sein. Doch der ADAC gibt dem Münchner Emmy-Angebot nur die Note "ausreichend". Vor allem kritisiert der Klub die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die in Teilen unzulässig seien.

15 000 Nutzer haben sich in München bereits für das Roller-Sharing angemeldet. Das geht einfach: Man lädt eine App für sein Smartphone herunter, registriert sich samt Führerscheindaten, verifiziert diesen Führerschein, indem man ihn mit dem Handy neben seinem Gesicht filmt - und nach einer mehr oder weniger langen Wartezeit, die auch mal einen Tag dauern kann, kann es eigentlich los gehen. So weit so gut: Nur dürften längst nicht alle die AGB gelesen haben. Und da bekommt Emmy ein "mangelhaft" von den Testern.

Das größte Problem ist laut ADAC die Beweislastumkehr, die unzulässig sei. Der Kunde muss im Schadensfall beweisen, dass er den Schaden nicht verursacht hat. Kann er das nicht, haftet er dafür. Hat also einer der Vormieter einen Schaden verschuldet und nicht angegeben, kann der Nachmieter dafür verantwortlich gemacht werden, wenn er den Schaden vor Antritt der Fahrt nicht selber meldet. Das sei umständlich und zeitraubend. Im deutschen Recht gelte außerdem der Grundsatz: Jemand ist nur haftbar für etwas, das er selbst schuldhaft verursacht hat. Und dazu müsse man dem Mieter nachweisen, dass nur er den Schaden verursacht haben kann.

Auch in den AGB anderer Anbieter in anderen Städten wird dieser Grundsatz laut ADAC ins Gegenteil verkehrt. Zudem monieren die Tester, dass die Mieter auch für Bagatellschäden, zum Beispiel eine kleine Delle im Nummernschild, verantwortlich gemacht werden können, dabei hafte der Kunde für alle Schadennebenkosten, also zum Beispiel für einen Gutachter, eine Höherstufung in der Versicherung, eine Wertminderung oder den Nutzungsausfall. Und bei allen Anbietern können Forderungen gegenüber dem Kunden an Dritte, also an Inkassobüros, abgetreten werden.

Ein weiteres Problem aus Sicht des ADAC: Wer durch grobe Fahrlässigkeit einen Unfall verschuldet, verliert die sogenannte Haftungsbegrenzung, die sich im Normalfall durch die Selbstbeteiligung - bei Emmy beträgt sie 350 Euro - ergibt. Dann kann es teuer für den Mieter werden. Nicht mehr zeitgemäß und wenig kundenfreundlich finden die Tester überdies, dass der Vertrag nur schriftlich per Brief gekündigt werden kann. Mangelhaft seien die Münchner Emmys aber auch in der Handhabung. So maßen die Tester zum nächsten Roller eine durchschnittliche Entfernung von 896 Metern, eine von 60 Testfahrten mussten sie wegen zu geringen Reifendrucks abbrechen. Überdies findet der ADAC die Rollermiete insgesamt zu teuer, vor allem wegen der Selbstbeteiligung, die der Klub als hoch einstuft: Auch hier ein "mangelhaft" für München. Sehr gut kam dagegen der technische Zustand der Fahrzeuge im Test weg.

"Der Kunde muss sich vorher Schäden am Roller bewusst machen"

Emmy-Gründer Valerian Seither will die Kritik des ADAC so nicht gelten lassen. Die AGB seien so gestaltet, dass sich Kunden bei Schäden nicht mit einem "das war ja schon" rausreden könnten. "Der Kunde muss sich vorher Schäden am Roller bewusst machen", sagt Seither. Es gehe vor allem um sicherheitsrelevante Sturzschäden, kleine Kratzer würden ohnehin nicht geahndet. Auch wenn ein Roller ordnungsgemäß und ohne Schaden an der Straße abgestellt wird und ein anderer wirft ihn um, so erkenne man dies am Schadensbild und ziehe den Mieter nicht zur Verantwortung, sagt Seither. Und was die Haftung bei grober Fahrlässigkeit betrifft, so wolle Emmy vermeiden, dass die Kunden das System ausnutzen und allzu sorglos mit den roten Schwalben umgehen, zum Beispiel im Gelände abseits von Straßen fahren. "Wir brauchen einfach eine Rechtssicherheit".

Bislang scheinen die Nutzungsbedingungen die Kunden nicht abzuschrecken. Allein diesen Sommer ist die Zahl der Nutzer in München um 5000 gewachsen. Derzeit beschränkt sich das Geschäftsgebiet von Emmy noch auf die Innenstadt und angrenzende Stadtviertel sowie einzelne Inselbereiche in Sendling, Giesing und Schwabing - also auf Distanzen, die sich locker mit dem Rad zurücklegen lassen. Dass das Gebiet irgendwann wächst, schließt Seither nicht aus. Man müsse jedoch die Wirtschaftlichkeit berücksichtigen. Dass der ADAC eine so große Entfernung zum jeweils nächsten Roller gemessen hat, dafür hat der Emmy-Chef auch eine Erklärung: Der Test habe im April stattgefunden. Damals war die Emmy-Flotte mit 50 Rollern noch deutlich kleiner als heute.

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SZ vom 11.08.2018/baso
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