Süddeutsche Zeitung

Mieträder:München stellt Benimm-Regeln für Fahrradverleiher auf

  • Die Stadt zieht Konsequenzen aus dem Scheitern des Leihradanbieters Obike in München: mit einem Leitfaden für Anbieter stationsloser Fahrradvermietsysteme.
  • Bisher ist der Leitfaden freiwillig, doch Oberbürgermeister Dieter Reiter fordert, dass die Münchner Regeln Teil eines bayerischen Gesetzes für Bike-Sharing werden.

Von Thomas Anlauf

Während der Leihradanbieter Obike an diesem Mittwoch damit beginnen wird, den Großteil seiner 6800 Räder aus München wegzuräumen, zieht die Stadt Konsequenzen aus dem Desaster des Unternehmens aus Singapur. Die Stabsstelle Radverkehr im Planungsreferat hat einen umfangreichen Leitfaden für Anbieter stationsloser Fahrradvermietsysteme herausgebracht. Zudem hat Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in einem Brief an das bayerische Innenministerium gefordert, dass die neuen Münchner Regeln in ein bayerisches Gesetz für Bikesharing einfließen. Denn bislang ist der Leitfaden für Leihradanbieter noch freiwillig.

Mit den Benimmregeln für Radverleiher soll künftig vermieden werden, dass ein Anbieter die Stadt regelrecht überschwemmt mit Rädern, ohne sich dann in ausreichendem Maß um die Fahrzeuge zu kümmern. So sieht der Elfpunktekatalog der Stadt vor, dass die Anbieter jeweils maximal fünf Mieträder pro Standort abstellen dürfen. Sie sollen allerdings nicht in öffentlichen Radständern parken. Räder, die längere Zeit unbenutzt herumstehen, müssen vom Anbieter innerhalb des Mittleren Rings nach zwei Wochen, am Stadtrand spätestens nach vier Wochen weggeräumt werden.

Kaputte oder demolierte Fahrräder müssen innerhalb von drei Tagen entweder repariert oder entfernt werden. Der Leihrad-Knigge richtet sich aber auch an die Benutzer: Sie dürfen nicht mehr überall die Räder abstellen, Parks und Grünanlagen sind tabu, genauso das achtlose Abstellen auf Geh- und Radwegen, Rettungswegen, Einfahrten sowie auf Grünstreifen. Um zu prüfen, wie intensiv die Leihräder genutzt werden, sollen die Unternehmen der Stadt unter Wahrung des Datenschutzes Informationen über Fahrtzeiten und -längen sowie über Ausleih- und Rückgabeorte überlassen.

Mit dem Leitfaden für Radverleiher hat die Stadt auf den Fall Obike reagiert. Der Anbieter hatte Räder oft "über Monate" hinweg an den gleichen Standorten gelassen, auch wenn sie defekt oder demoliert waren, sagt der städtische Radverkehrsbeauftragte Florian Paul. "Wir haben ihnen mehrmals gesagt, dass sie sich dringend um ihre Räder kümmern müssen", so Paul. Obike habe jedoch "alles versäumt", um ein funktionierendes und akzeptiertes Verleihsystem aufzubauen. Es sei fast schon eine Sensation, dass ein Anbieter wie Obike mit seinem Verleihsystem in München gescheitert sei. Denn "eigentlich ist Bikesharing ja eine tolle Idee", allerdings sei es eben doch kein Selbstläufer. Andere Anbieter würden viel Aufwand betreiben, um ihre Räder zu verteilen und zu warten.

Paul rechnet deshalb damit, dass sich andere Anbieter als Obike auch an die neuen Regeln halten werden. Bereits bestehende wie "Call a Bike" der Deutschen Bahn tun dies ganz selbstverständlich. Den Leitfaden für Radverleiher habe man bereits an die Stadtverwaltungen anderer Städte geschickt, die von den Erfahrungen in München profitieren könnten. Denn auch wenn Obike nun 6000 von 6800 Rädern aus München abziehen will, in Deutschland wird das Unternehmen aus Singapur weiterhin präsent sein. Der chinesische Konkurrent Mobike will sogar bald in jeder deutschen Stadt der größte Anbieter werden, sagte kürzlich dessen Deutschland-Chef Jimmy Cliff.

Auch in München rechnet man damit, dass sich die Zahl der Leihräder trotz des Rückzugs von Obike in den kommenden Jahren stark erhöhen wird. Oberbürgermeister Dieter Reiter will deshalb, dass die aktuelle Diskussion um ein bayerisches Carsharing-Gesetz "um die Thematik der Leihradanbieter erweitert" wird, wie er an Innenminister Joachim Herrmann schreibt. Gerade der Start des Leihradanbieters Obike habe gezeigt, "dass ein ungeordneter Betrieb solcher Systeme in dieser Größenordnung zu Beschwerden und heftiger Kritik führen kann". Eine Antwort auf Reiters Brief steht noch aus. Mittlerweile ist die Verantwortung in Verkehrsfragen auf Ministerin Ilse Aigner übergegangen.

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SZ vom 04.04.2018/amm
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