Mietmarkt:Rathaus streitet über Wohnungsbau

Baustelle für Wohnhochhäuser in München, 2015

Auf dem ehemaligen Bahnareal am Hirschgarten nahe der Friedenheimer Brücke entstehen Wohnhochhäuser - aber leider ist auch in diesem Jahr viel zu wenig Wohnraum entstanden. Gerade preiswerte Appartements fehlen.

(Foto: Florian Peljak)
  • Immer mehr Menschen ziehen nach München - doch in den vergangenen Jahren wurden viel zu wenig Wohnungen an der Isar gebaut.
  • Jetzt schlägt das Sozialreferat Alarm - und macht einige Vorschläge, wie der Wohnungsnot beizukommen sein könnte.
  • Das Planungsreferat hält aber offenbar nichts von den Ideen aus dem Sozialreferat.

Von Thomas Anlauf

Zwischen zwei städtischen Referaten ist ein Richtungsstreit über die Münchner Wohnungsbaupolitik der kommenden Jahre ausgebrochen. Angesichts des massiven Bevölkerungswachstums in den vergangenen Jahren - seit 2010 ist die Zahl der Einwohner in München um knapp 130 000 gestiegen - und der zahlreichen Flüchtlinge, die Wohnraum benötigen, werfen Experten des Sozialreferats den Stadtplanern vor, den geförderten Wohnungsbau zu wenig voranzutreiben.

"Die Zielzahlen des Planungsreferats sind in Bezug auf den wachsenden Bedarf nicht ausreichend", heißt es in einem internen Thesenpapier des Sozialreferats, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Die Verfasser des Thesenpapiers warnen, dass die immer schneller steigende Wohnungsnot in München womöglich bald nicht mehr in den Griff zu bekommen sei. So habe sich in den vergangenen fünf Jahren zwar die Bevölkerungszahl um knapp 130 000 Menschen erhöht, gleichzeitig seien aber nur etwa 38 000 neue Wohnungen entstanden.

Im gleichen Zeitraum sei die Zahl der akut Wohnungslosen in München um 2000 auf 5300 Menschen gestiegen. Auf der anderen Seite "sind Zehntausende bezahlbare Wohnungen durch Bindungsablauf, Abriss, Luxusmodernisierung, Umwandlung und Mietpreisdynamik verloren gegangen".

Die Wohnungslosigkeit treffe mittlerweile auch immer mehr Münchner mit normalem Einkommen.

Situation verschärft sich

Die Situation verschärfe sich auch dadurch, dass laut Prognose bis Ende 2015 etwa 19 000 Flüchtlinge in München ankommen, von denen etwa die Hälfte hier bleiben werden. Bereits in den vergangenen Jahren fehlten jährlich 1000 Wohnungen für die dringendsten Fälle von akut Wohnungslosen, bis Ende 2016 könnte die Warteliste auf 11 500 Haushalte ansteigen. Insgesamt gibt es in München 810 000 Haushalte.

Angesichts der alarmierenden Zahlen fordern die Experten im Sozialreferat, dass im künftigen Handlungsprogramm "Wohnen in München VI", das von 2017 bis 2021 gelten soll, auf städtischen Grundstücken nur noch maximal zehn Prozent auf dem freien Markt vergeben werden.

Umgekehrt sollen künftig jährlich 2000 Wohnungen im geförderten sowie 1000 im konzeptionellen Mietwohnungsbau entstehen. Das ist ein Pilotmodell, wonach auf städtischen Grundstücken der Bauherr mindestens 60 Jahre lang Mietwohnungen anbieten muss. Die Quote für den geförderten Wohnungsbau auf städtischen Grundstücken soll laut Sozialreferat von derzeit 50 auf 60 Prozent erhöht werden.

Warum das Planungsreferat die Pläne des Sozialreferats ablehnt

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(Foto: Florian Peljak)

Doch das Planungsreferat lehnt derartige Forderungen ab. In einem entsprechenden Papier, das ebenfalls der SZ vorliegt, machen die Stadtplaner dies deutlich: "1000 Wohneinheiten im konzeptionellen Wohnungsbau sind angesichts der geringen Verfügbarkeit städtischer Flächen unrealistisch", heißt es in dem Thesenpapier aus dem Haus von Stadtplanerin Elisabeth Merk.

Darin ist maximal von insgesamt "2000 geförderten und preisgedämpften Wohnungen" die Rede. Auch die vom Sozialreferat hoch angesetzten Quoten für geförderten Wohnungsbau sieht das Planungsreferat problematisch.

Angst vor Ghettos

Angesichts der "kritischen Erfahrungen in der Messestadt Riem", wo vor zweieinhalb Jahren eine hitzige Diskussion über eine "Gettoisierung" des Stadtviertels entbrannt war, solle künftig maximal 50 Prozent geförderter Wohnungsbau bleiben.

Um den hohen Bedarf an bezahlbaren Wohnungen zu decken, schlägt das Referat vor, verstärkt bestehende Gebäude durch städtische Wohnungsgesellschaften anzukaufen.

Noch im Oktober soll es einen Runden Tisch von Mitarbeitern beider Referate geben, wie das Programm "Wohnen in München VI" trotz aller Differenzen gemeinsam entwickelt werden kann. Ungeachtet dessen fordern die Experten im Sozialreferat einen referatsübergreifenden Stab unter Leitung des Oberbürgermeisters.

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