Gourmetrestaurants:Gedrängel in der Oberliga

Gourmetrestaurants: Der Restaurantführer Guide Michelin.

Der Restaurantführer Guide Michelin.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Selten war so wenig abzusehen, welche Restaurants mit wie vielen Sternen ausgezeichnet werden, wenn der neue Guide Michelin erscheint. Am Mittwoch ist es nun wieder soweit.

Von Franz Kotteder

Bin ich schon drin? Vor 30 Jahren stellte Boris Becker diese viel belächelte Frage in einem Werbespot für einen Internet-Provider. Heute könnte das die Frage gleich einer ganzen Reihe von Münchner Spitzenköchen sein, wenn an diesem Mittwoch der Guide Michelin für Deutschland erscheint. Spannend ist das für alle, die für einen, zwei oder gar drei Sterne in Betracht kommen, sowieso immer. Aber in München ist es dieses Mal ganz besonders spannend. Denn so viel wie im abgelaufenen Jahr hat sich hier noch nie getan.

Am spannendsten wird es wohl für Tohru Nakamura. Der Spitzenkoch, der in Geisels Werneckhof zwei Sterne errungen hatte, hat nach der Corona-bedingten Schließung des Lokals eine kleine Odyssee zwischen Pop-up und Fastfood hinter sich - und seit Dezember mit seinem ganzen Team wieder ein festes Domizil. "Hier kann ich mir vorstellen, 30 Jahre zu bleiben", sagte er bei der Eröffnung, eine mutige Ansage für einen 38-Jährigen.

Tohru in der Schreiberei heißt sein Restaurant in der Burgstraße 5, und dass er damit nicht nur zwei, sondern sogar drei Sterne anpeilt, kann man sich gut vorstellen. Auch wenn er selbst - wie alle anderen Mitbewerber - sich sehr zurückhält, was Prognosen angeht. Überhaupt sagen Sternekandidaten gerne, dass ihnen Sterne eigentlich nicht so wichtig sind. Wenn sie dann aber doch einen, mindestens einen, bekommen, wird trotzdem die Nacht durchgefeiert. Merkwürdig.

Für Nakamura ist die Situation günstig. Denn Jan Hartwig, bisher einziger Drei-Sterne-Koch Münchens, wird in diesem Jahr sicher keinen Stern bekommen. Weil er nämlich momentan kein Restaurant hat, nur ein Pop-up in der Nymphenburger Porzellanmanufaktur. Und der Guide Michelin zeichnet offiziell ja nicht die Köche aus, sondern die Restaurants. Hartwig aber steht schon in den Startlöchern fürs nächste Jahr, sein eigenes, richtiges Restaurant mit dem prägnanten Namen Jan soll im Frühsommer eröffnen, und dass er dann wieder drei Sterne wert sein wird, bezweifeln die wenigsten.

Vom Start weg drei Sterne, das ist kaum zu schaffen. Außer, man hat eine bereits perfekt laufende Restaurantmaschine im Hintergrund. Ein bisschen hofft man da im Atelier des Bayerischen Hofs darauf; denn dort hat Hartwig ja seine drei Sterne erkocht und bis zum Schluss gehalten. Nachdem er das Atelier im Sommer 2021 verlassen hat, übernahm Anton Gschwendtner mit neuem Team das Restaurant. Der gebürtige Freisinger bekam schon in seiner vorherigen Station in Stuttgart zwei Sterne und hat erkennbar Lust, in München noch einen Gang höher zu schalten.

Die zweite große Umwälzung kam mit dem Tantris. Nach der mehrmonatigen Generalsanierung - Brancheninsider sprechen von Kosten in zweistelliger Millionenhöhe - startete man in der deutschen Gastro-Legende mit einem völlig neuen Konzept, holte den jungen Spitzenkoch Benjamin Chmura, gebürtiger Kanadier mit deutscher Mutter und zuvor Küchenchef im berühmten Drei-Sterne-Restaurant der Brüder Troisgros im französischen Roanne. Der 33-Jährige ist also auch ein klarer Anwärter auf höchste Auszeichnungen.

Vom früheren Tantris übrig geblieben ist Sigi Schelling, nachdem Hans Haas in den Ruhestand ging. Seine Sous-Chefin Schelling macht jetzt ihr eigenes Ding im Werneckhof, mit großem Erfolg in der langjährigen Tradition, die schon im Tantris prächtig funktionierte. Für zwei Sterne müsste das gut sein. Zwei Sterne dürfte auch Bobby Bräuer im Esszimmer der BMW-Welt wieder bekommen, ebenso wie das Restaurant Alois im Feinkosthaus Dallmayr. Dass Küchenchef Christoph Kunz das Haus Ende Mai verlassen wird, ist erst letzte Woche bekannt geworden.

Der Abschied eines Spitzenkochs muss noch nicht viel heißen, wie das Beispiel Les Deux zeigt. Das Restaurant im Maffeiblock hatte 2021 den Abschied von Edip Sigl zu verkraften, kurz nachdem seine Kochkunst mit zwei Sternen ausgezeichnet worden war. Seine Nachfolger Nathalie Leblond und Gregor Goncharov stehen ihm allerdings in nichts nach, ihre Küche ist ebenfalls fulminant und Sigls Stil nicht unähnlich.

Es herrscht also ordentlich Gedränge in der Oberliga, und dabei hat München sieben Lokale mit einem Stern, die Potenzial nach oben haben: Allen voran das Sparkling Bistro, dann das Gabelspiel, das Mural, der Showroom, der Schwarzreiter, das Acquarello und das Tian.

Eigentlich war das Erscheinen der Gourmetbibel Michelin für Ende April avisiert, nun erscheint sie schon am Mittwoch. Offenbar hatten die Tester genügend Zeit, sich eine Meinung zu bilden. Trotz der widrigen Umstände, der Pandemie geschuldet. Lange Zeit konnte ja nur unter erschwerten Bedingungen gekocht werden. Und wegen der Sperrzeit 22 Uhr mussten manche Gourmetrestaurants fast schon kurz nach dem Mittagessen mit dem achtgängigen Abendmenü beginnen. Was das für die Sternewertung bedeutet, wird man am Mittwoch erfahren.

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