Michaela Karls Biografie über Elsa SchiaparelliDie Modeschöpferin, die Platz für den Flachmann schuf

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Immer noch ist das Modehaus Schiaparelli für besondere Kreationen bekannt – hier ein  Blumenkleid, das ein Model vor drei Jahren bei der Fashion Week in Paris präsentierte.
Immer noch ist das Modehaus Schiaparelli für besondere Kreationen bekannt – hier ein  Blumenkleid, das ein Model vor drei Jahren bei der Fashion Week in Paris präsentierte. (Foto: JULIEN DE ROSA/AFP)

Elsa Schiaparelli dominierte die Mode der 1930er-Jahre. Michaela Karl zeichnet Leben und Werk der skandalumwitterten Modeschöpferin in einer Biografie nach.

Von Constanze Baumann, München

Als Taylor Swift bei den Grammys im vergangenen Jahr ihr neues Album ankündigte, sorgte nicht nur die Nachricht, sondern auch ihr spektakuläres Outfit wochenlang für Gesprächsstoff: eine schneeweiße, schulterfreie Robe mit bodenlanger Schleppe, Beinschlitz, eleganten schwarzen Handschuhen und einer Reihe funkelnder Ketten um den Hals. Ähnlich große Wellen schlugen im Jahr zuvor Kylie Jenners umstrittenes Löwenkopf-Kleid und Doja Cats blutroter, mit Kristallen besetzter Ganzkörperanzug. So sehr diese Auftritte die Schlagzeilen beherrschten – der Name hinter den Looks ist weit weniger bekannt.

In den 1930er-Jahren war das Modehaus Schiaparelli eines der berühmtesten der Welt, doch nach seiner Schließung in den 1950er-Jahren verschwand der Name nahezu aus dem Gedächtnis der Öffentlichkeit. Erst seit der Wiedereröffnung 2012 ist Schiaparelli wieder auf den roten Teppichen Hollywoods vertreten.

Elsa Schiaparelli im Jahr 1952.
Elsa Schiaparelli im Jahr 1952. (Foto: IMAGO/GRANGER Historical Picture)

Mit diesem Comeback wächst natürlich das Interesse an der Frau, die dem Label ihren Namen gab. Die Münchner Autorin und Politikwissenschaftlerin Michaela Karl, die sich bereits durch mehrere Frauenbiografien einen Namen gemacht hat, widmet sich mit „Kluge Frauen bezahlen ihre Kleider selbst“ als erste deutschsprachige Biografin der vergessenen Modeikone.

Auf mehr als 400 Seiten zeichnet sie den Lebensweg Elsa Schiaparellis nach und geht dabei klassisch chronologisch vor: von der Kindheit in der römischen High Society des späten 19. Jahrhunderts über den Umzug nach London, eine Ehe mit einem zwielichtigen Hellseher samt Scheidung, die Auswanderung nach New York bis hin zur Niederlassung in Paris, wo sie mit 37 Jahren ihre Modemarke gründete. Bis hierhin liest sich die Biografie fast romanhaft – nicht nur dank Karls atmosphärischem, lockerem Schreibstil, sondern auch aufgrund der guten Quellenlage: Insbesondere Schiaparellis lebhaft geschriebene Memoiren sorgen für viele Anekdoten und prägnante Zitate.

Mit der Gründung des Modehauses verlagert sich der Fokus vom rein Biografischen auf das Modische. Karl beschreibt kenntnisreich, was einen Schiaparelli-Entwurf ausmacht: Statt Schlichtheit à la Chanel dominieren knallige Farben, extravagante Formen und surrealistische Ideen. Zur Sensation wurde Schiaparellis Hummerkleid, das sie mit Dalí entwarf, oder ihr Prohibitions-Kleid, in dem ein Flachmann verschwinden konnte.

Schiaparelli war durch und durch Pionierin: Sie war die Erste, die ihre Kollektionen unter ein Motto stellte, die Erste, die mit Künstlern zusammenarbeitete, und eine der Ersten, die das Potenzial von Prêt-à-porter erkannte. Sie erfand den Badeanzug mit abnehmbaren Trägern, die Bermudashorts, das Unisex-Parfum, ihre Markenfarbe „Shocking Pink“ und führte den Reißverschluss in die Haute Couture ein. Anders als ihre Konkurrentin Coco Chanel begriff sie ihre Mode als Kunst. Dementsprechend inszenierte sie ihre Modeschauen als künstlerische Spektakel: Bei ihren Shows konnte man Akrobaten durch die Lüfte wirbeln sehen und Elefanten, Zebras und Feuerschlucker bestaunen. Auch das war revolutionär: Zuvor waren Modeschauen steife Präsentationen gewesen.

Michaela Karl ist Politikwissenschaftlerin und hat sich dazu mit Biografien einen Namen gemacht.
Michaela Karl ist Politikwissenschaftlerin und hat sich dazu mit Biografien einen Namen gemacht. (Foto: Michele Corleone)

Schiaparelli stand im Zentrum der Künstlerszene ihrer Zeit, und Michaela Karl versteht es, auch die vielen Persönlichkeiten in ihrem Umfeld vorzustellen. So entsteht nicht nur das Porträt einer Frau, sondern das einer ganzen Gesellschaftsschicht. Mit der Zeit gerät dieses Bild jedoch etwas zu bunt: Streckenweise kippt die Biografie in eine wikipedia-artige Aneinanderreihung von Schicksalen, die zwar allesamt interessant sind, aber den roten Faden zuweilen zu sehr aus dem Blick geraten lassen. Kürzere, prägnantere Porträts hätten oft besser getan.

Am Ende richtet Karl einen Appell an die Leserinnen und Leser: „Düstere Zeiten wie die unseren“ verlangten nach „Fantasie, Provokation, Genderfluidität, knallbunter Mode und einem solidarischen Aufstand in Shocking Pink“. Sie macht deutlich: Schiaparelli ist heute so aktuell wie nie.

Michaela Karl: „Kluge Frauen bezahlen ihre Kleider selbst“ (btb, 448 Seiten); Buchvorstellung: Donnerstag, 9. Oktober, 19.30 Uhr, Literatur Moths, Rumfordstraße 48

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