Literatur:Wonnen am Wannsee

Literatur: Für Michael Krüger einst der "strahlende Mittelpunkt der Welt": Das Strandbad Wannsee ist auch heute noch für viele Menschen Ziel ihrer sommerlichen Träume.

Für Michael Krüger einst der "strahlende Mittelpunkt der Welt": Das Strandbad Wannsee ist auch heute noch für viele Menschen Ziel ihrer sommerlichen Träume.

(Foto: Gregor Fischer/dpa-tmn)

Und es war Sommer: Michael Krüger stellt sein erhellendes autobiografisches Buch "Das Strandbad" vor.

Von Antje Weber, München

Das Paradies, wenn es denn eines gibt, hat einen Namen: Strandbad Wannsee. Hier hatte, zumindest in den Fünfzigerjahren, alles seine feste Ordnung. Das Wasser, nur durch wenige Motorboote von Neureichen aufgepflügt, "schwappte träge an das immer von blendend weißem Sand gesäumte Ufer. Ganz weit hinten blinkten die Segelboote wie entfernte Träume, und manchmal zog einer der Dampfer der sogenannten Wannsee-Flotte mit qualmendem Schornstein vorbei." Jedes Ruder- und Paddelboot, das sich hierher verirrte, wurde schnell von einer weiß livrierten Wasserwacht "umzingelt und belehrt". Ansonsten schnurrte alles "Schreckliche, Chaotische, Zwanghafte" im damaligen Alltag Berlins "hier zusammen zu einer einzigen bewegten sozialen Plastik, in der Eis am Stiel geschleckt und Brause getrunken wurde, und wer wenig Geld hatte, brachte seinen Brausepulverwürfel mit und warf ihn wie die Oma ihre Zähne in ein Glas Wasser".

Das Strandbad Wannsee leuchtet in der Erinnerung Michael Krügers; und es bietet dem in München lebenden Schriftsteller und Ex-Verleger, den es mit 79 Jahren nun offensichtlich wieder nach Berlin zieht, überhaupt einigen Stoff zum Erzählen. Und so paddelt Krüger in seinem Büchlein "Das Strandbad", das er für die Edition 5plus geschrieben und mit privaten Fotos angereichert hat, vom ungewöhnlich weißen Wannsee-Sand aus zügig in autobiografische Gefilde. Das ist in jeder Hinsicht erhellend - in leichtem, ironisch aufgerautem Ton, das Schwere dabei nicht über Bord werfend, erzählt der rastlos schreibende Schriftsteller (erst kürzlich erschien unter anderem die Erzählung "Was in den zwei Wochen nach der Rückkehr aus Paris geschah" bei Suhrkamp) von seiner Kindheit und Jugend in Berlin.

Der Alltag - nicht immer nur ein Eisschlecken

Krügers Alltag in einer Bildungsbürgerfamilie war - mal ganz abgesehen von Rabattmarken-Nachkriegsnöten und dem täglichen Kochkäse auf dem Schulbrot - nicht immer nur ein Eisschlecken: Gefürchtet waren beispielsweise die sonntäglichen Paddeltouren mit dem sportlichen Vater auf dem Wannsee. Die Zwangsausflüge waren schon deshalb mühsam, weil Krügers Vater seine Kinder mitten auf dem See mit Fragen nach der Lage Pekings oder der Strategie Wallensteins quälte. Wer nicht antworten konnte, bekam "einen Schwall Wasser über den Kopf. Nicht aus böser Absicht, sondern aus Enttäuschung".

Man erfährt in diesem Büchlein auf schwankendem Grunde nicht nur einiges über diesen Vater, Postassessor und nebenbei der verkannte Erfinder der elektrischen Zahnbürste. Sondern auch über die sonstige Familie und (Lese-)Sozialisation des jungen Michael Krüger, der ursprünglich Bauer werden wollte und sich dann doch den Büchern verschrieb, so sehr, dass er zum Leidwesen der Mutter das Geld für die Tanzstunde lieber ins Antiquariat trug. Dass Krüger sich schon früh in Künstlerkreisen bewegte, macht diese autobiografische Skizze auch zu einem interessanten Dokument der einstigen Berliner Szene. Das Wichtigste, der "strahlende Mittelpunkt der Welt", bleibt jedoch das Strandbad Wannsee.

Michael Krüger: Das Strandbad (110 S., 16,80 Euro, limitierte Auflage, nur über die Edition 5plus-Buchhandlungen zu erwerben). Lesung: Donnerstag, 14. Juli, 20 Uhr, Buchhandlung Lehmkuhl, Leopoldstr. 45, Anmeldung unter Telefon 3801500

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: