Metallica in München:Mehr als nur Schwermetall

Beim Auftakt der Deutschland-Tournee in München wird klar, dass Metallica nicht nur eine Heavy-Metal-Band ist, sondern der Wegbegleiter eines Lebens. Ein Besuch.

Jürgen Schmieder

Am Stand, an dem T-Shirts verkauft werden, also an der Haupteinnahmequelle vieler Rockbands, an diesem Stand steht ein Mann und sieht sich die Produkte an. Seine leicht ergrauten und schwer erdünnten Haare hängen weit über die Schulter. Dort, wo sie aufhören, steht auf dem Hemd: "Metallica Europe '88". Der Mann war, das verdeutlicht das Ausgewaschene des Shirts, auf einem dieser Konzerte - vielleicht am 31. Oktober 1988 in München, vielleicht auch in Regensburg oder Saarbrücken.

Metallica in München: Ein Fest für Fans: Metallica in der Olympiahalle.

Ein Fest für Fans: Metallica in der Olympiahalle.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

21 Jahre später ist dieser Mann auf dem Konzert von Metallica in München, er kauft ein T-Shirt, auf dem ein Strichmännchen mit Dreizack abgebildet ist. Die Größe: XXS. Der Mann steckt das Hemd in seine Jackentasche, er dreht sich um und nickt einem lächelnd und wissend zu: Das Shirt ist für sein Kind.

Die Bühne bei diesem Konzert ist in der Mitte der Münchner Olympiahalle aufgebaut, ringsherum stehen die Fans. Die Anordnung könnte metaphorischer kaum sein: Metallica stehen nicht irgendwo vorne und hoch oben auf einer Bühne, sie stehen mitten im Volk, damit jeder etwas hat von diesem Konzert.

Damit jeder einmal James Hetfield beim Singen zusehen kann, damit jeder einmal Kirk Hammett bei einem Solo bewundern kann, damit jeder erleben darf, wie punktgenau Lars Ulrich auf seine Trommel eindrischt. Als die vier vor dem Konzert hereinmarschieren, bricht Jubel aus, als wäre gerade das entscheidende Tor bei der Fußball-Weltmeisterschaft gefallen.

"Dass diese Leute zu einem Konzert kommen, hat viel mit Respekt zu tun", sagte Hetfield vor dem Konzert zu sueddeutsche.de. "Uns bedeutet dieser Respekt sehr viel, das ist wie eine Familie für uns." Es hört sich schnulzig an - und doch steckt in diesen Worten viel Wahrheit: Metallica ist mehr als nur eine Heavy-Metal-Band. An diesem Abend in München wird einem deutlich, dass sie der musikalische Wegbegleiter eines Lebens sind.

Vor 21 Jahren spielte die Band schon einmal in München. Damals konfiszierten die Eltern die Eintrittskarte ebenso wie das "...And Justice for All"-Album und das T-Shirt mit den Grabsteinen darauf. Und nun ertönen beim Konzert die ersten Klänge der Single "One" von ebendiesem Album. Man hört die Maschinengewehre, die Helikoptergeräusche, dann beginnt Hammett ein Solo.

Metallica ist wie der verrückte Onkel

Der Song wird im Verlauf immer heftiger, er wechselt mehrmals den Rhythmus, ehe Lars Ulrich mit seinen Basstrommeln Maschinengewehre imitiert. Man fühlt sich erinnert, wie man damals mit 14 Jahren aus der Garagenband geflogen ist, weil man den Rhythmuswechsel von Ulrich nicht hinbekam - und erkennt nun, dass wohl nur Ulrich diesen Wechsel so perfekt hinbekommt.

Metallica ist so etwas wie der verrückte Onkel, der einem in der Jugend das Rebellentum leichter gemacht hat - vor allem weil die Eltern "das Geplärre" nicht mochten und die Mädchen ins Poesiealbum bei Lieblingsmusik "alles außer Metallica" hineinschrieben. Sie begleiteten einen durchs Erwachsensein und man schämt sich nun nicht, wenn man als 30-Jähriger aufs Konzert geht und seinem Sohn ein T-Shirt mitbringt.

Metallica ist eine musikalische Konstante, natürlich hat man inzwischen neue Freunde gefunden wie Korn oder Marylin Manson oder Kid Rock - aber Metallica ist eben immer noch der Gast auf Familienfeiern, den man am liebsten dabei hat, weil er so viele so gute Geschichten zu erzählen hat. Verziehen sind die Ausrutscher wie das Album "Load", solange sie auf Konzerten nicht nur die Songs der neuen Platte "Death Magnetic" spielen, sondern auch die Klassiker früherer Tage.

"Bei der Zusammenstellung der Playlist für diese Tour haben wir eine erstaunliche Entdeckung gemacht", sagt Hetfield. "Die ganz neuen Sachen von uns passen hervorragend zu den ganz alten." Und so mischt die Band bei diesem Konzert neue Hits mit alten Songs, "Master of Puppets" etwa folgt kurz auf "The Day That Never Comes" - und man hat den Eindruck, als wären sie alle vom gleichen Album.

"Ich mag, dass sie seit Jahren ihr Ding durchziehen, das macht sie zu einer der größten Bands aller Zeiten", sagte Jonathan Davis, Sänger von Korn, einmal über Metallica. Das tun sie auch bei diesem ersten Konzert in Deutschland bei dieser Tournee. Hammett trifft nicht jedes Riff punktgenau, Hetfield brüllt bisweilen unverständlich in sein Mikrofon, nur Lars Ulrich trifft seine Drums jedes Mal haargenau. Diese kleinen Fehler gehören nun einmal zu einem wahren Livekonzert, anders als viele andere Bands gibt es bei Metallica kein Fehler ausgleichendes Playback.

Vor fünf Wochen wurde die Band in die "Rock and Roll Hall of Fame" aufgenommen. Für viele Fans sind die Lieder von Metallica längst zu einem Soundtrack des Lebens geworden - auch des Mannes, der ein T-Shirt für seinen kleinen Sohn gekauft hat. Natürlich wird das erste Wort des kleinen Mannes nicht "Metallica" sein. Aber eines der ersten Lieder, das er hört, wird "Nothing Else Matters" sein. Und er wird das Solo von "Wherever I May Roam" nachspielen - allerdings nicht auf der Gitarre, sondern - das ist heutzutage wohl so - auf "Guitar Hero". Den Vater stört eine solche Kleinigkeit nicht.

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