Süddeutsche Zeitung

Sicherheit in der Messestadt Riem:"Es sind mehr Streifen unterwegs - uniformiert und in Zivil"

Nach dem gewaltsamen Tod eines 21-Jährigen vor einigen Wochen hat die Polizei ihre Präsenz in der Messestadt Riem erhöht. Inspektionschef Helmut Bayerl sieht die Sicherheit im Viertel nicht beeinträchtigt - Sorgen bereite nur eine kleine, lautstarke Gruppe.

Von Patrik Stäbler

Zwei Buben liegen gelangweilt in der Hängematte am Spielplatz, weiter hinten eilt eine Mutter mit Kinderwagen am Bildungslokal der Riemer Messestadt vorbei, und auf den dortigen Steinquadern sitzt eine ältere Frau und tippt in ihr Handy. Kurzum, es herrscht eine gemächliche Ruhe an diesem Herbstnachmittag in der Grünanlage an der Elisabeth-Mann-Borgese-Straße, nur einen Steinwurf vom U-Bahnhof Messestadt Ost entfernt. Nichts erinnert an die verstörenden Szenen, die sich hier vor einigen Wochen abspielten, als ein 21-Jähriger aus Franken bei einem Drogengeschäft getötet wurde - mutmaßlich von einem Teenager aus München.

Doch auch wenn die Spuren dieser Tat verschwunden sind - in den Köpfen vieler Menschen hallen die Geschehnisse noch nach. So schilderte Helmut Bayerl, Chef der Polizeiinspektion 25, kürzlich bei der Bürgerversammlung für Trudering-Riem, dass sich seit dem Vorfall vermehrt Bewohnerinnen und Bewohner bei seinen Beamten meldeten, "weil sie sich Sorgen über die Sicherheit in der Messestadt machen". Ähnliches berichtet Stefan Ziegler (CSU), der Vorsitzende des Bezirksausschusses (BA). "Das Thema ist schriftlich und mündlich an uns herangetragen worden. Es gibt Bürger, die befürchten, dass die Messestadt zum Glasscherbenviertel verkommt."

Dabei relativiert Polizeichef Bayerl die Sorgen: "In der Messestadt lebt es sich genauso sicher wie in anderen Stadtvierteln." Jedoch räumte er ein: "Es gibt dort einige wenige Bewohner, die uns Probleme bereiten, weil sie glauben, sich nicht an bestimmte Regeln halten zu müssen." Konkret seien dies meist Kinder und Jugendliche, die oft in Gruppen aufträten und auch Straftaten begingen - Schmierereien, Drogengeschäfte und Kelleraufbrüche, so Bayerl. "Diese wenigen beeinflussen das subjektive Sicherheitsgefühl und schädigen so den Ruf des Viertels."

Die Jugendlichen sind oft minderjährig und deshalb für die Polizei nicht leicht zu fassen

Diskussionen über die Sicherheit in der Messestadt sind wahrlich nicht neu. "Das ist ein Thema, das immer wieder mal hochkocht", sagt Frank Eßmann (CSU). Der Lokalpolitiker sitzt dem BA-Unterausschuss Soziales vor und hat sich in dieser Funktion unlängst zum Austausch mit der Polizei getroffen. Eßmann zufolge gibt es in der Messestadt drei Gruppen von Heranwachsenden. "Die erste ist die breite Masse und völlig unauffällig", sagt er. Die zweite Gruppe seien Jugendliche, "die in irgendeiner Form begleitet werden müssen - sei es in Jugendzentren, durch Streetworker oder andere Angebote".

Diese Heranwachsenden würden mitunter auffällig, zumeist durch Lärm. Das große Problem sei aber die dritte Gruppe, sagt Eßmann. "Sie ist relativ klein, aber am lautesten - und das fällt auf." Diese Jugendlichen hätten oftmals Drogenprobleme, fielen aber auch durch Randale auf und drangsalierten bisweilen andere Menschen. Laut Eßmann kämen diese Heranwachsenden "immer wieder aus den gleichen Familien". Und da sie oft noch minderjährig seien, "sind sie für die Polizei teilweise nur schwer zu fassen".

Wobei die Einsatzkräfte ihre Präsenz in der Messestadt seit dem tödlichen Streit im August erhöht hätten, betonte Polizeichef Helmut Bayerl bei der Bürgerversammlung. "Dadurch ist wieder etwas Ruhe eingekehrt." Ein Grund für die Reaktion der Polizei waren wohl auch die Tumulte rund um die Festnahme des 16-jährigen Verdächtigen auf dem Platz der Menschenrechte in Riem wenige Tage nach der Tat. Denn als der sich wehrende Teenager abtransportiert wurde, tauchten nach Polizeiangaben plötzlich circa 20 Männer auf und versuchten ihn gewaltsam zu befreien. Dabei wurden drei Beamte leicht verletzt.

Die Idee einer Sicherheitswacht hat unter den Lokalpolitikern keine Mehrheit gefunden

"Die Polizei hat auf die Vorfälle reagiert", sagt BA-Chef Stefan Ziegler (CSU). "Es sind mehr Streifen unterwegs - uniformiert und in Zivil." Um dauerhaft für ein besseres Sicherheitsgefühl in der Messestadt zu sorgen, würde er sich eine ehrenamtliche Sicherheitswacht wünschen, wie es sie etwa in der Gemeinde Haar und in Neuperlach gebe, sagt Ziegler. Doch deren Einführung hat eine Mehrheit im BA Trudering-Riem abgelehnt. Auch die Grünen-Fraktion sei gegen eine Sicherheitswacht, sagt Sprecherin Susanne Weiß. "Uns ist wichtiger, dass ausreichend gut ausgebildete Polizisten vor Ort sind. Und unsere Befürchtung ist, dass mit der Sicherheitswacht eine Notlösung aufgebaut wird, die zu Lasten der guten Ausstattung der Polizei geht."

Ohnehin betont Susanne Weiß, die in der Messestadt wohnt und sich dort ehrenamtlich engagiert, dass sich die aktuellen Sicherheitsbedenken in der Nachbarschaft vornehmlich auf die tödliche Auseinandersetzung im August bezögen. "Dass sich die Menschen nach so einem Mord Sorgen machen, ist verständlich - das wäre in Solln auch nicht anders", sagt die Grünen-Sprecherin. "Aber das ist nicht das generelle Hintergrundgefühl in der Messestadt. Und ich verwahre mich gegen die Aussage, dass es dort schlimmer zugeht als in anderen Stadtteilen."

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