Messestadt Riem:Lehrstück in Sachen Demokratie

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Preisgekrönt: Maurice und Vanessa aus der Klasse 5/6A verkaufen in der Pause druckfrisch ihre Schülerzeitung "Eastsider". (Foto: Alessandra Schellnegger)

"Der Eastsider", die Schülerzeitung des Förderzentrums München-Ost, ist mehrfach mit Preisen ausgezeichnet

Von Björn Struss, Messestadt Riem

Die Uhr zeigt einige Minuten nach zehn, gleich wird die große Pause beginnen. Maurice und Vanessa haben ihre Plätze eingenommen und warten auf die Mitschüler, die hoffentlich etwas Taschengeld mitbringen werden. Hinter ihnen verkündet eine mit zahllosen Luftballons dekorierte Stellwand die Nachricht des Tages: "Der neue Eastsider ist da!" Die alljährlich erscheinende Schülerzeitung des Sonderpädagogischen Förderzentrums (SFZ) Ost an der Astrid-Lindgren-Straße präsentiert sich in ihrer elften Ausgabe in einem knalligen Grün. Die Ausgaben warten auf ihre Leser, der Geruch von frisch bedrucktem Papier liegt in der Luft.

Es ist die Arbeit eines ganzen Schuljahres, die sich auf gut hundert Seiten niederschlägt. Für Lehrerin Sylvia Seib ist das ein schöner Moment. Sie betreut gemeinsam mit Kollegin Lisa Schall den Eastsider und ist mit ihrem Engagement der Motor der Schülerzeitung. Sie kann stolz auf ihre kleinen Autoren, Zeichner und Seitengestalter sein, denn das Projekt wurde wieder einmal mit Preisen für die gute Arbeit ausgezeichnet. Die Jubiläumsausgabe 10 erhielt die Raute der Hanns-Seidel-Stiftung und erreichte beim bundesweiten Wettbewerb "Kein Blatt vorm Mund" der Jugendpresse Deutschland den zweiten Platz. Die Ehrung nahm Seib gemeinsam mit Kollegin Schall und zwei Schülern Anfang Juni im Plenarsaal des Bundesrates in Berlin entgegen.

Mit dabei war auch Maurice. "Das hat Spaß gemacht und war aufregend", erinnert sich der Dreizehnjährige an seine Zeit in der Hauptstadt. "Der Raum war so riesig", erzählt er von der Preisverleihung im Bundesrat. Für die zehnte Ausgabe war er Teil der Redaktion, die sich einmal pro Woche in Form einer Arbeitsgemeinschaft trifft. Auch an der aktuellen Ausgabe ist er beteiligt, dieses Mal aber mit seiner Klasse. Die durfte mit dem "Gorilla-Projekt" Longboard fahren und schrieb einige "Elfchen" - kurze Gedichte in nur elf Worten. Hier zeigt sich das offene Konzept des Eastsiders: Eine Redaktion beschäftigt sich intensiv mit dem Heft, jede Klasse kann aber zusätzlich eigene Beiträge produzieren. So ist die gesamte Schule beteiligt.

Eine Schülerzeitung an einem Förderzentrum umzusetzen - das ist deutlich schwieriger als an einem Gymnasium. "Lange Texte zu schreiben, ist für unsere Schüler sehr anspruchsvoll", weiß Sylvia Seib. "Wir arbeiten deshalb viel mit Bildern, die dann nur in ein bis zwei Sätzen beschrieben werden", erklärt die Lehrerin. Auch viele Zeichnungen sind im Heft zu finden, Sprechblasen und Rätsel lassen jede Seite etwas anders aussehen. Das sehenswerte Ergebnis und all die Preise können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass den Schülern des SFZ eine berufliche Zukunft in der Welt der Medien verwehrt bleiben wird.

Das weiß auch Schulleiter Andreas Stüwe. "Insbesondere sprachliche Probleme verhindern einen solchen Weg", sagt er. Anstelle einer Berufsvorbereitung, die sonst ein Schwerpunkt des SFZ ist, sieht er den Eastsider als Lehrstück in Sachen Demokratie. "Was macht eine Redaktion? Wie werden Medien gestaltet? Diese Fragen können sich die Schüler mit dem Projekt selbst beantworten", erklärt Stüwe.

Für die Gestaltung ihrer knallgrünen neuen Ausgabe haben sich die Macher des Eastsiders etwas Besonderes einfallen lassen. Jede Ausgabe erhält eine Lupe als Beilage, mit der die Seiten nach einem kleinen Zeppelin abgesucht werden können. Vanessa erklärt ihren Mitschülern eifrig, was es mit diesem Extra auf sich hat. So verkauft die Zwölfjährige Heft um Heft, bis die große Pause zu Ende geht. Und dann: Kassensturz. Das Geld wird gezählt, dann muss noch das Wechselgeld abgezogen werden. Und wie viele Hefte wurden nun überhaupt verkauft? Die kleine Mathestunde findet ein erfolgreiches Ende: Mit 30 verkauften Heften konnten 60 Euro eingenommen werden. Ein guter Anfang.

© SZ vom 12.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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