Messestadt Riem:Kopfbau macht Kopfweh

Nach dem Rückzug der gemeinnützigen Startstark GmbH ist die künftige Nutzung des denkmalgeschützten Gebäudes wieder offen. Auch die Schimmelsanierung dauert noch an

Von Renate Winkler-Schlang, Messestadt Riem

Wieder bereitet der Kopfbau Kopfzerbrechen, denn Starkstark ist ausgestiegen. Die gemeinnützige soziale GmbH, die in der Messestadt unter dem Dach der Stiftung Lichtblick und in Kooperation mit Condrobs Projekte mit benachteiligten Jugendlichen organisiert, hat die viele Monate dauernden Verhandlungen über den Kopfbau der Besuchertribüne des früheren Flughafens Riem abgebrochen. Wie Startstark-Geschäftsführer Norbert Blesch erklärt, habe man im gerade entstehenden Gemeinschaftsprojekt der Genossenschaft Wagnis und der Kooperative Großstadt an der Willy-Brandt-Allee eine Fläche von 500 Quadratmetern kaufen können. Damit könne Startstark seinen Spendern endlich zeigen, dass ihr Geld sinnvoll eingesetzt werde. "Wir landen hier in einem Umfeld, wo wir erwünscht sind. Und wir haben Planungssicherheit."

Gleichzeitig ist mit dieser Entscheidung die Zukunft des Kopfbaus wieder komplett offen. Das Denkmal steht seit der Bundesgartenschau bis auf kleinere Event-Nutzungen leer, sämtliche frühere Ideen des Bezirksausschusses hatte die Stadt abgebügelt. Die Immobilie war aber auch an Investoren nicht zu vermitteln, denn das Kommunalreferat will, dass ein Interessent oder Wirt Geld für Heizung und Sanierung mitbringt. Startstark hätte das im Kreuz gehabt, doch die Verhandlungen zogen sich hin. Blesch sagt, der Knackpunkt seien am Ende die Freiflächen gewesen. Ob Sport im Freien oder Freischankfläche für eine soziale Gastronomie, nichts sei sicher zu planen gewesen, denn letztlich ende die Zuständigkeit des Kommunalreferats an der Außenmauer. Über alles, was im Landschaftspark geschehe, bestimme "der Franzose" - also Gilles Vexlard, der Pariser Landschaftsarchitekt. Hinzu komme, so Blesch, dass er im Viertel auch Vorbehalte gespürt habe gegen die von ihm geplante Nutzung. Trotz allem aber denke auch er, dass dieses Denkmal sinnvoll erhalten werden müsse und sei gerne bereit, an einer Kooperationslösung mitzuwirken. Vielleicht, so Blesch, löse der Rückzug von Startstark als Investor den gordischen Knoten und die Stadt sehe endlich ein, dass sie selbst investieren muss, ehe sie den Kopfbau wieder anbietet.

Diese Forderung kommt in diesem Jahr besonders laut aus Teilen der Messestadt-Bürgerschaft, denn das Viertel ist 20 Jahre alt, die Initiative "Kopfbaut" um den Künstler Michael Lapper wollte den Bau für Aktionen zu diesem Anlass nutzen. Lapper hatte im vergangenen Jahr schon mit seinem Café Kiosk vor dem Kopfbau gezeigt, was alles mit bürgerschaftlichem Engagement an Kultur vor der Haustür möglich ist. Damals hatte er nichts in dem Denkmal veranstalten dürfen, denn dort lief die Schimmel-Sanierung. In diesem Jahr sollte das anders sein. Die Stadt hatte die Sommernutzung des Baus europaweit ausgeschrieben, Kopfbaut wollte sich bewerben und rechnete sich große Chancen aus. Am Gründonnerstag druckte Lapper noch das Bewerbungs-Konzept aus, am Karfreitag aber hatte er in seinen Mails die Nachricht, dass die Raumluft noch immer kontaminiert sei. Feiern geht wieder nur draußen.

Flughafen-Kopfbau der früheren Flughafen-Besuchertribüne am Westende der Kopenhagenstraße in Riem.

Zurück auf Anfang: Startstark hat die Verhandlungen mit der Stadt über eine Nutzung des Kopfbaus abgebrochen.

(Foto: Florian Peljak)

Aufgrund der durch Startstark und den Schimmel veränderten Situation hat das Kommunalreferat eine für den 30. April geplante Stadtratsbefassung nun auf den 23. Mai verschoben. Lapper sieht damit auch die Chancen für eine Sommernutzung schwinden, denn die Ideen von Kopfbaut bräuchten einen zeitlichen Vorlauf. Aber die Initiative habe wohlweislich einen Plan B "und auch einen Plan C", verrät er. Auch das Planungsreferat hatte sich einige Tage im Sommer reservieren lassen für einen städtebaulichen Rückblick auf 20 Jahre Messestadt, ob und wo das nun stattfindet, muss sich ebenfalls erst zeigen.

Michael Lapper ist Optimist, er meint, dass der Bau nach einer Sanierung auch ohne die Startstark gGmbH ein wichtiger Kristallisationspunkt werden könnte. Klar, der Stadtbezirk habe zwei Kulturzentren, das in Trudering und die Kultur-Etage in den Riem Arcaden. Doch im Kopfbau könnte einiges möglich sein, was über den Stadtbezirk hinaus strahlt, meint er und nennt als Beispiel die Aktivitäten von "Stadtgestalten", einem Zusammenschluss von Bürgern aus zehn Münchner Neubaugebieten. "Wo kommen wir her und wie wollen wir in Zukunft leben?" Das ließe sich an diesem Ort, den die Nazis geschaffen haben und der heute am Rand eines multikulturellen Viertels steht, besonders eindrücklich erörtern.

Weniger optimistisch zeigen sich die Mitglieder des Bezirksausschusses, die in ihrer Aprilsitzung noch begeistert waren, dass das Kommunalreferat die vertrackte Problemlage immerhin mal zusammengefasst und eine "Mindestsanierung" vorgeschlagen hatte. Das Papier, das nun völlig neu geschrieben werden muss, war eine Antwort auf nicht weniger als zehn Anträge aus dem Bezirksausschuss und von Stadträten aus den Jahren 2014 bis 2019.

Der Bezirksausschuss sieht die Verantwortung für das Denkmal auf jeden Fall bei der Stadt, eine Sanierung sei für sie auch finanziell zumutbar. Um moralischen Druck aufzubauen, forderte das Gremium auf Antrag der CSU, ein Angebot für den nötigen Fernwärme- und Glasfaseranschluss bei den Stadtwerken einzuholen, und zwar "im Rahmen des Stadtbezirksbudgets". Ein Antrag, mit dem man der Stadt "vors Schienbein treten" wollte, wie der Vorsitzende Otto Steinberger kommentierte. Georg Kronawitter (CSU) konnte sich auch vorstellen, dass das Gremium wirklich etwas aus seinem Budget zuzahlen würde: "Es ist so oder so Steuergeld."

Norbert Blesch, 2019

Startstark-Geschäftsführer Norbert Blesch

(Foto: Florian Peljak)

Von der neuen Lage sind die BA-Mitglieder frustriert: Das ernsthafte Interesse von Starstark habe, vor der Kommunalwahl, Druck erzeugt. Es wäre fatal, wenn alles wieder einschliefe, so Steinberger. Stadtweiter Magnet könne der Kopfbau kaum werden, denn gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden sei er leider nicht, ergänzt Kronawitter. Er erinnert daran, dass die Stadt für die Kultur-Etage eine horrende Miete zahle. Doch mit seinen Ideen, dass die Etage in den Kopfbau ziehen könnte, war Kronawitter schon vor Jahren überall abgeblitzt.

Der Truderinger Grünen-Stadtrat Herbert Danner will sich die Vertagung vom Kommunalreferat nicht bieten lassen. Er fordert für den 30. April wenigstens eine Bekanntgabe. "Es ist nicht vermittelbar, dass unsere Stadtverwaltung einen popeligen Schimmelschaden in einem leer stehenden Gebäude innerhalb eines halben Jahres nicht in den Griff bekommt." Da nun bereits zum wiederholten Mal ein Investor abgesprungen sei, stelle sich vor allem noch intensiver die Frage, wann die Stadt endlich die Verantwortung für dieses Denkmal trage und es auf eigene Kosten saniere: "Dieses Projekt ist ein Armutszeugnis für Stadtverwaltung und Stadtrat."

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