Süddeutsche Zeitung

Messestadt Riem/Kirchtrudering:Zwischen Fahrbahn und Frischluftschneise

Lesezeit: 3 min

Ein Bürger-Workshop zum fünften und letzten Bauabschnitt der Messestadt Riem bietet den Teilnehmern die Gelegenheit, ihre Wünsche, Anregungen und Kritik in den Planungsprozess einzuspeisen

Von Nico Kellner, Messestadt Riem/Kirchtrudering

Seit den 1990er Jahren ist es bereits geplant, nun soll es Realität werden: Eine 25 Hektar große Fläche zwischen Kirchtrudering, dem Messepark und der Messestadt Riem soll in einem fünften und letzten Abschnitt bebaut werden. Genau handelt es sich um die Fläche, die in Kirchtrudering am Truchthari-Anger beginnt und sich bis zum alten Teil des Riemer Friedhofs in die Länge zieht. In der Breite reicht sie bis zur ehemaligen Zuschauertribüne des Flugplatzes Riem, dem sogenannten Kopfbau. Spaziert man am Samstagvormittag von Trudering kommend durch die heutigen - teils landwirtschaftlich genutzten - Grünflächen, begegnet man jungen Familien, die sich dort an der frischen Luft bewegen sowie älteren Herrschaften, die über die Wege schlendern. Eine Gruppe von Hundebesitzern steht im Schatten eines Baumes beisammen und unterhält sich.

Vom Truchthari-Anger und seiner Kreuzung mit dem "Straßl ins Holz" ist es nur ein kurzer Fußmarsch bis zur ehemaligen Tribüne. Diesen Weg legen an diesem Samstag einige Truderinger Bürger mehr zurück als gewöhnlich. Sie alle haben das gleiche Ziel: Auf der Freifläche vor dem "Kopfbau" findet an diesem Tag eine Bürgerbeteiligung zum "Bauabschnitt fünf" der Messestadt statt. Einige Teilnehmer sind auch schon zur Stelle und sehen sich die aufgebauten Infostände auf dem Kies-Platz an. Die Bürger können auf Großplakaten den Stand der Planungen einsehen, bevor sie darüber in kurzen Vorträgen nochmals umfassender informiert werden.

An einer Pinnwand können sie ihre Wünsche und Anregungen hinterlassen. "In der Messestadt braucht man kein Auto", steht dort etwa. Ein anderer Wunsch sind "qualitativ hochwertige Spielplätze" für Kinder sowie "überdachte Bereiche" für Jugendliche. Ein Anwohner wünscht sich eine bessere Laden-Infrastruktur für die Messestadt; er sei bei seinen Einkäufen immer auf die Geschäfte in Trudering angewiesen. Auch die Frage nach der späteren Nutzung des "Kopfbaus" taucht auf. Könnte man dort nicht einen Raum für Kunst und Kultur schaffen? Oder einen Biergarten anlegen? Die Bürgerschaft soll Gelegenheit bekommen, diese und weitere Anliegen einzubringen. Dazu stehen Vertreter der Landeshauptstadt, private Grundeigentümer sowie Bürgervereinigungen bereit.

Der Vorsitzende des örtlichen Bezirksausschusses, Stefan Ziegler (CSU), begrüßt die Anwesenden. Es gehe an diesem Tag darum, "Ideen zu sammeln". Darum solle jeder Teilnehmer auch "regen Gebrauch" von den Angeboten machen. Es gehe darum, die Interessen der Anwohner sowie die Anforderungen durch den Klimaschutz zu berücksichtigen und gleichzeitig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das komme der Aufgabe gleich, "die Quadratur des Kreises zu lösen".

Als erste Vertreterin der Stadt spricht dann Eva Regensburger. Sie sei vom Stadtrat beauftragt worden, den Bebauungsplan für das fragliche Areal zu erarbeiten, sagt sie. Das ganze Projekt und die damit verbundene Bürgerbeteiligung laufe in verschiedenen Phasen ab. Bei einer Online-Befragung der Anwohner seinen bereits "gute Gedanken" zusammengetragen worden. Nun gehe es darum, dies noch weiter zu vertiefen. Es könne viel neuer Wohnraum entstehen, aber dabei müsse "die Vernetzung mit Park und Stadtteilen" vorangetrieben werden. Regensburger erzählt, dass dies neben dem Klimaschutz auch eines der Themen sei, die den Bürgern am meisten nahegehen. Auch über die Gestaltung der neuen Entlastungsstraße werde eine "kontroverse Debatte" geführt. Viele seien gegen ihre vierspurige Ausgestaltung. Andererseits könne so der Bus eine eigene Fahrspur bekommen und der Nahverkehr attraktiver gemacht werden.

Schließlich melden sich noch zwei Vertreter der Bürgerbewegung "Anwohner Interessengemeinschaft Kirchtrudering" zu Wort. Peter Grünbeck erklärt die Anliegen seiner Vereinigung: Die Bebauungsdichte müsse "klar reduziert werden" und die "zentrale östliche Klimaschneise" bewahrt bleiben. Die Zahl der zu bauenden Wohnungen möchte die Initiative auf 1500 statt 2500 reduzieren. Die Dichte dürfe nicht über der der bestehenden Messestadt liegen, sagt Christa Felkl. Eine vierspurige Straße mit Busspur hält sie für falsch. Sie fordert den Erhalt der Frischluftschneisen im Münchner Osten, um eine "Verschlechterung der klimatischen Verhältnisse" zu verhindern. Nach den Kurzvorträgen sind die Anwesenden dazu aufgefordert, ihre Ansichten in Workshops und Gesprächen zu teilen. Einen Kinderarzt wünschen sich manche, andere ein Hallenbad. Alles wird aufgeschrieben und mit auf den Weg genommen für ein durchaus umstrittenes Projekt, das noch eine lange Strecke vor sich hat. An deren Ende aber steht die Vollendung der Messestadt Riem - mit dem Ergebnis wird man leben können müssen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5421950
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.09.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.