Messestadt Riem:Die Brand-Mauer

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Am Rand des Platzes der Menschenrechte begehen junge Männer immer wieder Straftaten - eine Entwicklung, die die Polizei "mit Sorge" verfolgt

Von Renate Winkler-Schlang, Messestadt Riem

Anlieger am Platz der Menschenrechte dürften froh sein, wenn das Wetter klamm und kalt ist: Dann ist nachts wenigstens Ruhe an der Mauer, die den Platz vom Park trennt und die für einige Jugendliche und junge Erwachsene zum sommerlichen Freiluft-Treffpunkt geworden ist. Immer wieder war der Konflikt zwischen den Jugendlichen und den Anwohnern ein Thema in den vergangenen Jahren. Das Jugendzentrum Quax, Streetworker, Kontaktbeamte der Polizeiinspektion 25 wurden schon eingeschaltet.

In diesem Jahr aber war es besonders lange Zeit besonders schön. Häufig ist die Situation daher offenbar eskaliert. Das berichtete der Leiter der PI, Helmut Bayerl, kürzlich sogar der Bürgerversammlung für Trudering-Riem: "Wir sehen das mit Sorge." Er sprach nicht nur von Ruhestörungen, sondern auch von Schlägereien, zwei Brandstiftungen, Widerstand gegen Polizeibeamte und Beleidigung der Beamten. Die Polizei habe "mit erhöhter Präsenz" reagiert, so Bayerl. Auch die Stadt reagiert: Akim, das allparteiliche Konfliktmanagement, hat kürzlich einen runden Tisch einberufen und will in der neuen Saison präventiv auf die Jugendlichen einwirken. Hilfreich könnte langfristig auch sein, dass hinterm Quax am Rand des Parks ein Streetballplatz mit einem Unterstand gebaut werden soll, in guter Entfernung zu den nächsten Schlafzimmern.

Bayerl hatte jedoch auch insgesamt höhere Deliktszahlen zu melden. So war die Zahl der gestohlenen Fahrräder im Stadtbezirk Trudering-Riem von 68 im Vorjahr auf 162 im neuen Berichtsjahr gestiegen, 74 Mal wurden Dinge aus Autos geklaut, im Vorjahr waren nur 20 solche Delikte angezeigt worden. Mehr Trickbetrüger, mehr Gewaltdelikte, 5,7 Prozent mehr Einsätze, so lautete Bayerls ernüchternde Bilanz. Auch der Brandstifter, der im März und April neun Brände im Truderinger Wald gelegt hatte, wurde bislang nicht ermittelt.

Die Pressestelle des Polizeipräsidiums erklärt zwar auf Nachfrage, dass nur absolute Zahlen erhoben werden, sie werden nicht in Bezug zu den im Stadtbezirk stark steigenden Einwohnerzahlen gesetzt, aber: "Alleine mit der wachsenden Einwohnerzahl ist der aktuelle Anstieg nicht zu erklären", so der Sprecher Peter Werthmann. Doch Statistik kann trotzdem trügerisch sein: Im vergangenen Jahr waren die Deliktszahlen stark rückläufig, vor diesem Hintergrund nimmt sich der aktuelle Anstieg krass aus, obwohl er "im Vergleich mehrjähriger Durchschnittswerte bestenfalls leicht erhöhte Abweichungen" aufweise. Und dabei könne wirklich das Wetter die entscheidende Rolle gespielt haben. 2017 war der Sommer eher durchwachsen, 2018 jedoch war ein "Jahrhundertsommer". Vergleiche mit umliegenden Vierteln zieht das Präsidium nicht. Es kann auch nicht pauschal sagen, ob die Messestadt bei den Delikten einen im Verhältnis hohen Anteil im Stadtbezirk hat. Einbrüche etwa würden eher aus anderen Gegenden gemeldet, bei Raub, Sexualstraftaten und Körperverletzungsdelikten aber sei die Messestadt "überproportional betroffen".

Die vorwiegend männlichen Jugendlichen und jungen Männer bis 27 Jahre an der Mauer haben da ihren Anteil: Die Pressestelle berichtet davon, dass im Juni "Stühle, Pfefferspray und Messer" als Waffen gegen andere Jugendliche eingesetzt worden seien. Im Juli brannten Mülltonnen, im August wurde ein Sicherheitsmann der Riem Arcaden "zusammengeschlagen und mit Füßen getreten". Die Polizei schicke ein Unterstützungskommando, wenn die örtlichen Kräfte nicht mehr ausreichten. Und es beschwerten sich nicht nur einzelne hochsensible Anwohner, regelmäßig hätten mehrere glaubhaft nächtliche Störungen geschildert. Natürlich werde die Belästigung durch die Architektur begünstigt, der Schall werde hier gut reflektiert, so Werthmann.

Der runde Tisch mit Anliegern, einem Jugendlichen, der Polizei und Vertretern sozialer Einrichtungen aber sei immerhin in einer konstruktiven und ruhigen Atmosphäre verlaufen, berichtet dessen Moderatorin Eva Jüsten von Akim. Im Frühjahr werde Akim versuchen, mit den Störern an der Mauer in Kontakt zu kommen und sie zu sensibilisieren für die Nöte ihrer Umgebung. Dabei werde man auch am Tonfall dieser Menschen arbeiten müssen, die sich offenbar äußerst schnell provoziert fühlten. Dies habe man auch der Polizei gespiegelt, die laut den jungen Leuten oftmals sehr massiv aufgetreten sei, so Brigitte Gans von Akim, selbst Messestädterin. Doch deren Einsätze seien auch bei einem runden Tisch "nicht verhandelbar". Es gebe nur eines: Die Jugend dürfe der Polizei keinen Anlass mehr bieten zum Eingreifen. Dass es in der Messestadt keine billigen Lokale gibt, in denen sich die jungen Männer treffen können, könne auch die Stadt nicht ändern, ergänzte Gans.

© SZ vom 06.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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