Messestadt Riem:Das Wohnzimmer wird eingerichtet

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Ein Bodenbelag aus unterschiedlichen Materialien, Bänke, Pflanzen, ein Brunnen: Zumindest als Simulationen können die Messestädter schon sehen, wie der Elisabeth-Castonier-Platz, das neue Zentrum im Quartier, bald ausschauen wird. Und sie sind begeistert

Von Jennifer Sandmeyer, Messestadt Riem

Gespannt blicken die Stadtteilbewohner auf ihr neues Wohnzimmer, auf das Zentrum in ihrem neuen Quartier, das sie sich vor knapp fünf Jahren in Workshops zusammen erträumt haben. Um diesen Platz herum entstehen gerade und auch künftig noch neue Gebäude. So soll er also aussehen, der Elisabeth-Castonier-Platz. Freilich sehen die Bewohner bislang nur Pläne und Simulationen. Doch erfahren sie endlich, ob ihre Wünsche umgesetzt worden sind, das öffentliche Wohnzimmer mit Sitzecken, oder ob die Internationalität der Bewohner erkennbar wird?

Als Florian Strauß vom Planungsbüro Studio Vulkan Landschaftsarchitektur mit Sitz in Zürich und München die aktuellen Planungen in der Kultur-Etage an der Erika-Cremer-Straße 8 vorstellt, findet man den Wohnzimmer-Gedanken wieder. Hier soll mehr als nur ein Treffpunkt entstehen. "Man soll sich wohlfühlen, verabreden und geborgen fühlen", fasste Strauß zusammen. Da wurde vieles berücksichtigt, was man in einem konventionellen Wohnzimmer so alles findet: Kanapee, die ein oder andere Topfpflanze und vor allem der Teppich. So facettenreich wie dessen Arten, die vom "Perser bis zum Läufer" - so Strauß - reichen, sind auch die Bewohner der Messestadt Riem. Um den "vielen Nationen gerecht zu werden" soll darum auch der Quartiersplatz mit verschiedenen Teppichen ausgelegt werden, berichtete Strauß. Das äußert sich in der Praxis in unterschiedlichen Bodenbelägen wie beispielsweise gebrannten Lehmziegeln, in Mustern verlegt, oder Kiesbelag. Die Bereiche sind dann optisch voneinander abgegrenzt und werden unterschiedlich genutzt. Das "Herzstück", so Strauß, markiert der sogenannte Quartiersteppich. Darauf sollen ein Brunnen und Stühle stehen. Der Jokerteppich ist nicht versiegelt und daher flexibel nutzbar. Vorstellbar wäre beispielsweise ein Urban-Gardening-Projekt - wenn sich denn Interessierte mit grünem Daumen finden.

Wie der neue Treffpunkt im Quartier sich letztendlich präsentieren soll, konnten die Bürgerinnen und Bürger 2014 in Workshops diskutieren. Viele ihrer Vorschläge finden sie in der Planung nun wieder. Nur mehr Platz für Räder fehlt ihnen. Simulation: Studio VulkanLandschaftsarchitektur (Foto: N/A)

Mit dem Jokerteppich rannten die Planer bei den Messestädtern offene Türen ein. Man könne den Platz nutzen, um Boule zu spielen, meinte ein Mann. Er habe das in Frankreich gesehen und es als sehr angenehm empfunden. Einige Anregungen werden mit in den Stadtrat genommen, völlig umgeplant könne allerdings nicht mehr werden, erklärte Moderatorin Brigitte Gans und scherzte: "Sie wollten damals ein Wohnzimmer, wenn Sie sich jetzt eine Küche wünschen, wird es schwierig."

Zurück auf Anfang wollte zum Glück sowieso keiner der Anwesenden. Grundsätzlich zeigten sich die Messestädter begeistert von der bisherigen planerischen Umsetzung ihrer Ideen. "Hier wurde über den Tellerrand hinausgeblickt." Eine Zuschauerin bat um Applaus: "Es ist bemerkenswert, dass aus 2014 so viel wiederzufinden ist." Trotz Zuspruch und wahrnehmbarer Begeisterung trieb die Bewohner auch manche Sorge um. Ob der geplante Wohnturm südlich der Michael-Ende-Straße nicht zu viel Schatten auf den Platz wirft? Wurde bei der Baumauswahl an den Asiatischen Laubholzbockkäfer gedacht? "Wir sind Quarantäne-Gebiet" sagte eine Zuhörerin dezidiert. Bei der Wahl der Bäume wurden Experten hinzugezogen, beschwichtigte Strauß an der Stelle.

Noch wird am Elisabeth-Castonier-Platz eifrig gebaut, zum Beispiel eine Wohnanlage der Gewofag. (Foto: Catherina Hess)

Größter Widerstand formierte sich allerdings beim Thema Verkehr. An der Michael-Ende-Straße sind 21 Pkw-Stellplätze vorgesehen. Brauche es so viele? Brauche es überhaupt welche, schimpften einige. Dass Autos an der Michael-Ende-Straße fahren sollen - geplant ist eine von Ost nach West verlaufende Einbahnstraße - missfällt den Bewohnern, sie wollen so wenige Autos wie möglich und vor allem den Parksuchverkehr verhindern. Bei der Anzahl der Radstellplätze gingen die Meinungen in die andere Richtung. Hier muss man sich wohl verrechnet haben. Denn rund 130 seien viel zu wenig. Man befürchte "wildes Parken von Rädern auf dem Platz". Eine Anwohnerin schlug vor, doppelstöckige Stellplätze einzurichten. Man einigte sich darauf, erst einmal abzuwarten - und gegebenenfalls nachzurüsten.

Auch an den Sitzskulpturen aus Beton äußerten die Bewohner Kritik. Sie seien zwar schön anzusehen, "aber für den Hintern zu hart", formulierten es einige Bewohner. Holz sei das Material der Wahl. "Die klassische Parkbank wäre ganz gut", warf eine Dame aus dem Publikum trocken ein. Mit Lehne, forderte eine weitere. Die neuen Anregungen der Bürger werden in die weitere Planung einbezogen, beteuerte am Ende Sascha Fischer vom Maßnahmeträger München-Riem GmbH. Baubeginn sei dann voraussichtlich 2021. Wie und wann auch immer es weitergeht, eines steht fest: Wie bereits 2014 zeigten die Bewohner erneut reges Interesse und Lust, ihren Quartiersplatz mitzugestalten.

© SZ vom 25.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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