Messestadt Riem:Dann eben Plan B

Weil der "Kopfbau" des alten Flughafens Riem immer noch nicht zur Verfügung steht, bringt eine Gruppe um den Künstler Michael Lapper Kultur an andere Orte der Messestadt, zum Beispiel ins Café Wohnzimmer

Von Renate Winkler-Schlang, Messestadt Riem

Für Michael Lapper ist der Kopfbau der alten Besuchertribüne des früheren Flughafens Riem eine "Drama Queen". Wobei das Drama die Stadt zu verantworten habe, die es einfach bisher nicht geschafft hat, einen Investor zu finden, der dem Denkmal eine Heizung spendiert und ihn saniert, und die gleichzeitig jeden Nutzungsvorschlag aus dem Viertel abgelehnt hat. Weil es nun 20 Jahre her ist, dass die ersten Bewohner in die ersten Häuser der Messestadt gezogen sind, wollte die Initiative "kopfbaut" um den Künstler Lapper das leer stehende Denkmal gerne den Sommer über mit Kunst und Kultur bespielen und zu einem Treffpunkt machen. Doch bekanntermaßen ist die Schimmelsanierung nicht abgeschlossen, es bestünden Gesundheitsgefahren, die Stadt konnte den flachen Bau den Messestädtern auch nicht temporär überlassen. Doch Lapper und seine Mitstreiter hatten wohlweislich einen "Plan B".

Lapper wird nicht mehr, wie im vergangenen Sommer, auf der Brache vor dem Kopfbau einen kleinen, bespielbaren Kiosk aufbauen. Vielmehr wird in diesem Jahr aus dem Café Kiosk nun das "Café Wohnzimmer": Die Genossenschaft Wagnis stellt dafür ihre Gaststätte an der Heinrich-Böll-Straße 75 zur Verfügung, wo ohnehin gerade der Pächter wechselt. Auf der Website kopfbaut.de können sich alle im Belegungskalender eintragen, die sich in diesem "Kioskcafé zum Selbermachen" engagieren wollen, sei es für Bar- oder Restaurantbetrieb oder mit kulturellen Beiträgen. Eröffnung ist bereits an diesem Sonntag, 7. Juli, 16 Uhr. Bespielt werden soll der neue Ort bis mindestens September, vielleicht auch länger, und zumindest an jedem Wochenende. Erste Konzerte sind schon fix. Dass damit das Gros der Veranstaltungen mitten in der Messestadt stattfindet statt wie vor dem Kopfbau am Rand des Viertels, sei "auch nicht schlecht", sagt Lapper. Das "Wohnzimmer" wird für diese Monate zum "Projektbüro", zum "Stadtviertel-Labor". Dort ist auch eine Ausstellung zu 20 Jahre Messestadt zu sehen. Auch das solle keine trockene "Nur-Anschauen-Sache" werden, Beteiligung ist nötig. Dabei gehe es um Geschichte und Gegenwart und das zukünftige Potenzial des immer noch jungen Stadtteils. Ziel sei insgesamt - wie schon beim Café Kiosk 2018 - die Verbindung von Kultur und Kulinarischem: "Stadtgesellschaft darf sich finden und sichtbar werden", erklärt der Künstler.

Messestadt Riem: Das von Michael Lapper initiierte Café Kiosk brachte 2018 die Menschen zusammen.

Das von Michael Lapper initiierte Café Kiosk brachte 2018 die Menschen zusammen.

(Foto: Privat)

Am Kopfbau können immerhin die Fenster als "Kulturschaufenster" herhalten, trotz des Schimmels. Die Messestädter wollen hier auch ihre Ideen und das Potenzial des Hauses für eine Zukunft des Bauwerks öffentlich machen. Es kann aber an diesem Ort auch ums Fliegen gehen, um das Spannungsfeld zwischen Globalisierung und Klimaproblematik.

Vor dem historischen Kopfbau soll jeder, der mal durch Viertel oder Park radelt, die Historie der Messestadt mitbekommen. Lapper und seine Mitstreiter haben dafür keine fix und fertige Ausstellung konzipiert, sie stellen vielmehr Schulklassen und anderen Interessierten auch in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Architektenkammer Baustellenmaterial für ein "Bauzaun-Origami" zur Verfügung, auf dem die Historie abgebildet werden kann - wie auch immer, mit Bildern, Fotos, Artikeln oder anderem. Kreatives Mitmachen ist auch hier ausdrücklich erwünscht. Lapper selbst plant noch eine kleine Inszenierung, über die er derzeit aber nichts Näheres verraten will. Und er setzt auf improvisierte Einzelveranstaltungen, etwa eine Videoprojektion, Schattentheater, ein "Picknick am Kopfbau" oder einen Rap. Auch japanische Architektur-Studenten wollen vorbeischauen.

Zum Plan für den 20. Sommer der Messestadt gehört für "kopfbaut" auch die "mobile Litfaßsäule" mit Plakaten aus der Geschichte der Messestadt, die Lapper gestaltet hat. Die Säule transportiert Lapper mit Sackkarre und Radlanhänger zu wechselnden Standorten. Er ist sicher, dass sie mehr Beachtung findet als die Kultursäule der Stadt, die vor dem Verwaltungsgebäude der Messe und damit just dort steht, wo kaum ein Messestädter automatisch vorbeikommt. Auf Lappers mobiler Säule ist auch sein Kopfbau-Plakat mit der Aufschrift "Drama Queen" zu sehen. Ihren ersten Einsatz hatte die Litfaßsäule bereits beim Promenadenfest am vergangenen Samstag. In seiner "Galerie im Treppenhaus" an der Selma-Lagerlöf-Straße 40 wird Lapper von Sonntag, 13. Juli, an seine eigene neue Ausstellung "Die teure billige Stadt" präsentieren.

Messestadt Riem: In diesem Jahr macht der Künstler mit seinen Plakaten auf der mobilen Litfaßsäule auch auf das "Drama" um den Kopfbau aufmerksam.

In diesem Jahr macht der Künstler mit seinen Plakaten auf der mobilen Litfaßsäule auch auf das "Drama" um den Kopfbau aufmerksam.

(Foto: Privat)

Auch die Kultur-Etage wird mit einbezogen: Am Montag, 15. Juli, 19 Uhr, öffnet dort die Ausstellung "Foto/Story" mit Bildern und Kurzgeschichten über den Stadtteil, gestaltet von der Foto- und der Schreibwerkstatt und von Bewohnern. Am 21. Juli, 15 Uhr, wird es von "Stadtgestalten", einem Zusammenschluss der Initiativen von Münchens Neubaugebieten, eine "Radlkultour" durchs Viertel mit verschiedenen Stopps und Kuchen im Café Wohnzimmer geben. Der Tag endet mit einem "Talk Talk" in der Kultur-Etage über die lebendige Stadt, Beginn ist um 19 Uhr.

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