Messestadt Riem:Allzweckweiser auf Sendung

Cornelia Bernoulli bringt mit einer Radioshow das erzählerische Werk Theodor Fontanes auf die Bühne. Der märkische Dichter erscheint als eine Art Helmut Schmidt ohne Zigarette

Von Julian Raff

Ehebruch mit anschließendem Duell und gefallener Heldin kommt ja selbst in den besten Kreisen kaum mehr vor. Wer da Fontanes Effi Briest nicht schon zu Schulzeiten in der Hand hatte, kommt nicht zwingend auf die Idee, dies später nachzuholen - und verpasst natürlich etwas, wie in diesem Gedenkjahr zum 200. Geburtstag des Dichters noch oft zu lesen sein wird. Für die Unentschlossenen, wie auch für textsichere Fontaneaner, hat die Schauspielerin und Autorin Cornelia Bernoulli einen unterhaltsamen, akribisch recherchierten Gang durchs erzählerische Haupt- und Nebenwerk zu einer "Radioshow" komponiert, die das besonders weite und fruchtbare Feld der Paarbeziehungen beackert.

Das angekündigte Format "Live-Hörspiel" lässt womöglich eine dieser schwer wiederzuerkennenden, weil arg verschnipselten Text- und Soundcollagen aus dem B-2-Nachtprogramm erahnen. Zur Erleichterung für alle, die Fontane ohne postmoderne Dekonstruktion (wieder-) entdecken wollen, hat Bernoulli aber mit größtem Respekt vor dem Originaltext gearbeitet. Die anderthalbstündige Performance spielt in einem Hörfunkstudio, das über die - real leider noch nicht ganz ausgereifte - Technik verfügt, historische Figuren ins Hier und Jetzt zu beamen. So darf also die Radiofrau den märkischen Dichter, Journalisten, Kritiker und was nicht alles persönlich im Studio begrüßen.

Gespielt wird er von Ernst Matthias Friedrich, einem bewährten Bühnenpartner, mit dem Bernoulli im einschlägigen Gedenkjahr 2017 bereits "Luthers Lust und Liebe" lebendig werden ließ. Mit seinen Musik- und Soundarrangements steuert Friedrich diesmal einen dezenten akustischen Rahmen bei. Darin plaudert Fontane mit der Moderatorin, recht aufgeräumt und charmant, stets geistreich und durchgehend im überlieferten O-Ton. Der alte Herr hört sich zwar gerne reden, beweist damit aber nur Geschmack, schließlich galt er schon zu seinen 78 Jahre langen Lebzeiten als zuverlässiger Aphorismen-Lieferant.

Theodor Fontane

"Alle schönen Männer sind schwach": Theodor Fontane war zeitlebens ein zuverlässiger Aphorismen-Lieferant.

(Foto: Scherl/SZ Photo)

Dazwischen wechseln Bernoulli und Friedrich immer wieder in Spielszenen, die natürlich ebenfalls aus Fontane-Originaldialogen verdichtet sind. Effi Briest - beziehungsweise ihre Eltern - machen den Anfang, weiter führt die Reise aber auch in entlegenere Werke, wie "l'Adultera", oder "Mathilde Möhring" und lässt natürlich Bekannteres wie "Frau Jenny Treibel" und den "Stechlin" nicht aus.

Romanze oder Melodram sind nicht zu erwarten, dafür manchmal ein sticheliger Geschlechterkleinkrieg als finde man sich in einem Kammerstück von Yasmina Reza. Das wilhelminische Machtgefälle dreht sich überraschenderweise oft um, nicht nur das zwischen Geschlechtern und Ständen, sondern manchmal auch das zwischen feschen, forschen Männern und unscheinbaren Mädchen. "Alle schönen Männer sind schwach", doziert dazu Fontane, den Friedrich spiellustig als coolen Allzweckweisen anlegt, quasi als Helmut Schmidt ohne Zigarette.

Einen wunden Punkt hat die Contenance dann doch: Auf neugierige Fragen nach dem eigenen Eheleben reagiert der Interviewte unwirsch und ausweichend, wofür Cornelia Bernoulli natürlich auch reichlich passende Originalzitate auftreiben konnte. Auf Dauerzoff im Hause Fontane deutet in der Forschung zwar nichts hin, fest steht für die Autorin aber, dass es Gattin Emilie nicht immer leicht hatte mit ihrem eigensinnigen Theodor, der manch sichere Stellung seiner Kunst zuliebe ausschlug, ohne sich auch nur mit ihr abzusprechen. Gerade noch blickt der Dichter leicht grantelnd auf sein "im Endresultat leidlich geglücktes" Leben zurück, da schwächelt auch schon der "Beamstrahl" und der Teleportierte verabschiedet sich zuckelnd und ruckelnd aus der Gegenwart.

Kleine technische Aussetzer hat Bernoulli ihrem Fontane schon vorher ins Manuskript geschmuggelt, um das Publikum daran zu erinnern, dass ihre Hauptfigur eben doch nur eine Projektion aus der Vergangenheit ist. Nebenbei lassen sich so notfalls echte Pannen überspielen - so etwas kann ja passieren, auch wenn Bernoulli den elektronischen Aufwand ebenso überschaubar hält wie die Requisite. "Alles muss in zwei Koffer passen" auf der bevorstehenden Tour mit zwölf Aufführungen in acht Städten, so haben es Bernoulli und Friedrich schon auf ihrer erfolgreichen Luther-Tournee vor zwei Jahren gehalten.

Theodor Fontane: Ein weites Feld" - Ein Live-Hörspiel
Mit Cornelia Bernoulli (Idee, Textauswahl, Konzeption, Spiel) und E. Matthias Friedrich (Komposition, Sounds, Spiel)

Mit Hingabe: Cornelia Bernoulli und ihr Bühnenpartner Ernst Matthias Friedrich setzen bei ihrem Hörspiel auch auf szenische Stimmung.

(Foto: Horst Stenzel/OH)

Etwas zwiespältig fällt übrigens die Erinnerung ans Gastspiel in Wittenberg aus, nicht nur, weil das dortige Publikum in Sachen Luther logischerweise nur noch schwer aus der Reserve zu locken ist. Der ganze Osten bleibt für das Duo erfahrungsgemäß ein schwieriges Terrain. Ein Auftritt in Fontanes Geburtsstadt Neuruppin Anfang September sticht damit als etwas heikle Ehrensache aus dem Spielkalender hervor. Insgesamt hat Bernoulli aber allen Grund, der Premiere und Tournee zuversichtlich entgegen zu sehen. Mit ihren Literatur-Performances hat sich die gebürtige Baslerin - wer beim Namen an eine bekannte Gelehrtenfamilie denkt, liegt übrigens richtig - ein tragfähiges Standbein in der freien Theaterszene geschaffen, was immer neue Ideen erfordert. Die Ausbildung an der Essener Folkwang-Uni und jahrzehntelange Erfahrung liefern freilich eine solide Grundlage. Programme zu Frank Wedekind, Otto Julius Bierbaum und Hermann Hesse oder auch eine augenzwinkernde "Heidi"-Revue aus der Schweizer Heimat hat Bernoulli jedenfalls ohne Agentur auf Bühnen im ganzen deutschsprachigen Raum gebracht, von der Nordsee bis in die Schweizer Alpen. Mit der Uraufführung in der Kultur-Etage Messestadt hat sie sich diesmal bewusst und gerne für einen Start in ihrer Münchner Stadtteil-Heimat entschieden.

Das Live-Hörspiel "Theodor Fontane: Ein weites Feld" beginnt am Freitag, 29. März, um 20 Uhr in der Kultur-Etage Messestadt, Erika-Cremer-Straße 8 (Mittelbau Riem-Arcaden, 3. OG). Der Eintritt kostet zwölf Euro. Eine Münchner Aufführung im besonderen Ambiente des Museums für Abgüsse klassischer Bildwerke schließt sich am Freitag, 3. Mai, an (20 Uhr, Katharina-von-Bora-Straße 10). In München gastiert das Live-Hörspiel dann noch einmal am 16. September im Tertianum, Klenzestraße 70, und am 7. Dezember in der Seidlvilla.

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