Die 2. Schwurgerichtskammer am Landgericht München I sieht fern. Eine geschlagene Stunde lang. Rein dienstlich natürlich. Und es ist erstaunlich, zu registrieren, wo überall in München Videokameras installiert sind. Kameras, die zeigen, was ein späterer Messerstecher drei Stunden vor der Tat am Hauptbahnhof so alles getrieben hat, wie er aggressiv die Bayerstraße entlangläuft – und wie er schließlich in einer Spielothek mit einem Messer wegen einer Nichtigkeit auf einen 27-Jährigen einsticht, und noch dazu versehentlich seine Freundin verletzt. Unter anderem wegen versuchten Totschlags muss sich der 24-jährige Mohammad T. nun vor Gericht verantworten.
Er habe nicht bemerkt, dass er den anderen mit dem Messer verletzt habe, lässt Mohammad T. seinen Anwalt Christian Gerber zum Prozessauftakt sagen. Er bedauere die Tat, „und er übernimmt die volle Verantwortung“, so Gerber.
Mohammad T. lebt im Allgäu, und am Abend des 11. November letzten Jahres hatte er sich mit seiner Freundin und einem Freund in München verabredet. Man traf sich am Hauptbahnhof – und hier beginnt die minutiöse Videoaufzeichnung. Man sieht das Trio, wie es sich im Untergeschoss Snacks und Alkohol kauft, wie sie zur Toilette gehen, wie sie auf Gleis 26 bis zum Ende laufen, um sich dort offenbar den gekauften Wein und die Softdrinks einzuverleiben. Auf dem Rückweg sieht man sogar, wie sie von der Bundespolizei routinemäßig kontrolliert werden. Mohammad T. nestelt da an seiner Hosentasche herum und ballt anschließend die Hand zur Faust. „Offenbar hat der da das Messer drin“, mutmaßt der Ermittler der Mordkommission. „Aber damals waren Messer am Hauptbahnhof auch nicht verboten“, wirft der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann noch ein.
Die Drei ziehen weiter, pöbeln in der Bahnhofshalle Menschen an, „die Stimmung wird aggressiver“, kommentiert der Ermittler. Vor der Table-Dance-Bar Queens kommt es zum Disput mit dem Türsteher, der das Trio nicht einlassen will. Gleich daneben, vor der Spielhalle Vulkan, fängt Mohammad T. einen Streit mit seiner Freundin an. Vor dem Lokal steht ein 27-Jähriger beim Rauchen und mischt sich ein. Dem soll T. mit einem Faustschlag ins Gesicht die Brille zertrümmert haben. Die Freundin kann Mohammad T. noch wegziehen und zum Weitergehen überreden.
Doch offenbar schreit der 27-Jährige dem Trio noch etwas nach, der Freund von Mohammad T. geht zurück, der Streit verlagert sich in die Spielhalle. Auch dort gibt es Videokameras, die eine Schlägerei zeigen und T., der hereinkommt und mit erhobener Hand mehrfach in Richtung des 27-Jährigen sticht. Seine Freundin, die dazwischengehen will, wird an der Hand verletzt.
Zu guter Letzt zeigen Videos vom angrenzenden Hotel, wie die verletzte Freundin versorgt wird. Der Nachtportier ruft die Polizei. Auch der schwer verletzte 27-Jährige schleppt sich in das Hotel. Ein Stich hat ihn am Oberkörper so tief getroffen, dass der Lungenraum geöffnet wurde. Er wird mit lebensbedrohlichen Verletzungen in eine Klinik gebracht.
Er habe nicht bemerkt, dass er den anderen verletzt habe, hatte T. über seinen Anwalt kundgetan. Der Ermittler der Mordkommission allerdings sagt, dass T. daheim seinem Mitbewohner im Allgäu erzählt habe, er habe „einen Araber schwer in die Seite gestochen“. Der Prozess ist bis Anfang Dezember terminiert.