Islamfeindlichkeit:Wenn aus Worten Taten werden

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Bei dem Messerangriff in der Pasinger Gleichmannstraße sind am Dienstag zwei 18 und 25 Jahre Männer verletzt worden. Der Muslimrat spricht nun von einem dritten Opfer. (Foto: Robert Haas)

Nach der Pasinger Messerattacke appelliert Oberbürgermeister Dieter Reiter an die Stadtgesellschaft. Der Muslimrat schildert bislang unbekannte Details des Angriffs. Eine Chronik rechter Gewalt in der Stadt.

Von Martin Bernstein

„Rassismus und Muslimfeindlichkeit haben in unserer Stadt keinen Platz“: Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat mit einer eindringlichen Mahnung auf die Pasinger Messerattacke durch einen 40-jährigen mutmaßlichen Islam-Hasser reagiert. Er sprach den beiden 18 und 25 Jahre alten Opfern „stellvertretend für die Münchner Stadtgesellschaft unsere Solidarität aus“.

Reiter verwies auf die Parallelen zum OEZ-Attentat, das ein ebenfalls psychisch kranker und zugleich rechtsextremer Täter vor acht Jahren verübt hatte. Der neun Opfer war am Tag vor der Pasinger Messerattacke öffentlich gedacht worden. Reiter: „In München wissen wir also, wohin menschenverachtende und rassistische Parolen führen können und dass aus Worten Taten werden können.“

Auf Facebook äußerte sich der Münchner Muslimrat zu der Attacke. Demnach habe der Täter eines seiner Opfer zunächst von hinten angegriffen, sei dann an ihm vorbeigegangen, habe sich umgedreht und noch einmal zugestochen. Der junge Mann sei gerade vom Gebet in der Pasinger Moschee gekommen und habe auf der Gleichmannstraße einen Freund getroffen. In der Schilderung ist von einem bislang nicht bekannten dritten Opfer die Rede: Ein Jugendlicher sei am Oberarm verletzt worden.

Im vergangenen Jahr registrierte die Münchner Polizei 66 Gewaltdelikte, die dem Bereich der politisch rechts motivierten Kriminalität zugeordnet werden konnten. Im Jahr zuvor waren es 52 gewesen. Seit Jahresbeginn haben Landes- und Bundespolizei erneut eine Vielzahl rechter Gewalttaten in Stadt und Landkreis registriert. Eine Chronologie der öffentlich bekannten Vorfälle:

7. März: Ein 31 Jahre alter Schweizer wird nach einem Club-Besuch in der Münchner Altstadt von einem 25-jährigen Münchner niedergeschlagen, ausgeraubt und dabei judenfeindlich beschimpft.

19. März: Ein 26-jähriger Ukrainer zeigt im Olympiapark Polizisten mehrmals den Hitlergruß. In seiner Wohnunterkunft in Neuhausen geht der Mann plötzlich mit Fäusten auf Beamte los und verletzt zwei von ihnen erheblich.

23. März: An einer Bushaltestelle am Candidplatz werden eine 43-Jährige und ihre drei Kinder von einem Unbekannten rassistisch beleidigt. Der Mann zeigt dabei den Hitlergruß. Anschließend attackiert er die Familie in einem Linienbus.

27. März: Ein 24-jähriger afghanischer Staatsangehöriger wird in der Maxvorstadt von einem 32-jährigen Deutschen angegriffen und rassistisch beschimpft. Der Täter schlägt den 24-Jährigen in einem Trambahnhäuschen mit der Faust nieder. Erst als Passanten eingreifen, lässt er von seinem Opfer ab, das ins Krankenhaus gebracht werden muss.

28. März: Auf offener Straße kommt es in Untersendling zu einer Auseinandersetzung mehrerer Personen. Ein 39-Jähriger beleidigt einen seiner Kontrahenten rassistisch. Eine Frau wird krankenhausreif geprügelt.

7. April: In einem Schnellrestaurant am Ostbahnhof geht ein aus Afghanistan stammender 24-Jähriger verbal dazwischen, als ein alkoholisierter Mann und dessen Freundin lautstark streiten. Daraufhin wird der 24-Jährige rassistisch beschimpft und körperlich angegriffen.

20. April: Ein 35-Jähriger bedrängt zwei junge Leute, die im Tal auf dem Heimweg sind. Der Angreifer zeigt den Hitlergruß und schreit nationalsozialistische Parolen. Die Situation eskaliert, es kommt zu Drohungen und Körperverletzungen.

8. Mai: In einem Restaurant in der Tegernseer Landstraße randaliert ein Mann, beleidigt einen der Gäste rassistisch. Als der 30-Jährige zu seinem Auto geht, folgt ihm der Angreifer, dabei weiter Beleidigungen rufend, und schlägt sein Opfer.

9. Mai: An einer Straßenbahnhaltestelle in der Cosimastraße wird ein 15-Jähriger mit marokkanischen Wurzeln rassistisch und islamfeindlich beschimpft. Als der Bub wegläuft, wird er von dem 49-jährigen Angreifer verfolgt. Der Mann zertritt die Kopfhörer des Jungen und wirft mit Steinen nach dem Flüchtenden.

11. Juni: Ein Unbekannter legt einen Brand neben einer Asylbewerberunterkunft in Putzbrunn. Zeugen beobachten ein Auto, das kurz vor der Entdeckung des Feuers mit laufendem Motor auf dem Parkplatz der Einrichtung steht und dann rasch davonfährt.

 22. Juni: Zwei Männer werden rassistisch beleidigt, während sie mit ihrem Auto in Giesing an einer roten Ampel warten. Aus einem daneben stehenden Auto wirft ein Mann mit einer Zigarette durch die offenen Seitenfenster nach den beiden.

23. Juli: In Pasing sticht ein 40 Jahre alter Islam-Hasser auf zwei Männer ein. Die Generalstaatsanwaltschaft übernimmt den Fall und ermittelt wegen zweifachen Mordversuchs.

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