Es gibt da diesen einen Satz, der einem noch Stunden, nachdem man sich von Mirjam Smend verabschiedet hat, in den Ohren klingt. Sie sagt ihn oft, und sie sagt ihn mit Nachdruck. Denn er erklärt, warum an diesem Wochenende, vom 19. bis 21. Oktober, im Haus der Kunst nun erstmals die "Greenstyle Muc" stattfindet, ein Festival für "Fair Fashion & Organic Beauty". "Nachhaltig", lautet der Satz, "soll das neue Normal werden."
Das Festival ist im Grunde eine Messe. Doch Smend, die mehr als acht Jahre als Redakteurin für das Hochglanzmagazin Elle gearbeitet hat und den Blog www.my-greenstyle.com betreibt, zieht die Sache anders auf. Gerade weil noch so viel passieren muss, bis nachhaltige Mode - ein Adjektiv, das sie eigentlich schon "überstrapaziert" findet - wirklich normal wird. So normal, dass der Münchner nicht mehr in Versuchung kommt, sich alle drei Monate eine Billigjeans zuzulegen, deren Stoff im Durchschnitt mit 7000 bis 11 000 Litern Wasser gewaschen wird, ehe eine Näherin in einer dürftig beleuchteten Fabrik Südostasiens eine Hose daraus macht. So normal, dass er die Namen der Läden in der Stadt kennt, die umweltverträgliche und fair produzierte Mode anbieten. Und so normal, dass er sich zumindest einigermaßen zurechtfindet inmitten all der verwirrenden Namen von Verarbeitungstechniken und Materialien, die den Markt gerade fluten.
Denn mittlerweile haben zwar die meisten verstanden, dass umweltverträgliche Mode nicht zwingend kratzig und unförmig sein muss. Dass die Branche aber weitaus mehr hergibt als die Biobaumwolle, mit der selbst Textilkonzerne für ein ökologisch besseres Ansehen werben, weiß eben doch nicht jeder. Milcheiweiß lässt sich zu Fasern verarbeiten, Winterjacken werden statt mit Daunen mit der exotischen Kapokfrucht gefüllt, selbst Polyester zu recyceln ist heute möglich. Allerdings, sagt Patric Bauer, Mitgründer der "Greenstyle Muc", kenne diese Alternativen kaum einer. Ganz bewusst befindet sich unter den 35 Ausstellern auf der "Greenstyle Muc" nur ein T-Shirt-Label, dafür geht es umso stilvoller zu: Die gebürtige Augsburgerin Sophia Stuhlmiller zeigt coolen Strick aus der Wolle der vom Aussterben bedrohten Krainer Steinschafe, es gibt von marokkanischen Frauen-Kollektiven gefertigte Kleider mit farbenfrohen Mustern zu sehen, futuristisch anmutende Taschen aus waschbarem Papier, und wer auf die Internetseite des finnischen Labels "Tauko" klickt, dem dämmert so langsam, wie elegant ein Kleid aus recyceltem Polyester sein kann.
Neben einigen Münchner Labels - "Ansoho", "Vatter" und "Me & May" zum Beispiel - bauen Modemacher aus Süddeutschland ihre Stände im lichtdurchfluteten Westflügel des Hauses der Kunst auf, aber auch Labels aus Berlin, Österreich und Dänemark werden dort vertreten sein, und dann ist da noch der "Dutch Fashion & Design"-Stand aus den Niederlanden, wohin die Metropolregion München einen Austausch zur kreativen Förderung unterhält. Die "Greenstyle Muc" soll künftig halbjährlich stattfinden, und allein die moderne Aufmachung des Flyers verrät ihren Sinn und Zweck: Grüne Mode soll einer Imagekorrektur unterzogen werden.
Ein ganzes Wochenende lang darf sie im Scheinwerferlicht stehen und zeigen, was sie drauf hat. Smend und Bauer haben neben einer Modenschau, Naturkosmetik-Workshops und Styling-Beratungen auch Podiumsdiskussionen ins Programm gehievt, etwa über Ethik und Mode oder nachhaltige Geschäftsmodelle. Mit der Messe starten aber auch die "Green Fashion Tours", eine Mode-Map, die nach Berliner Vorbild geführte Rundgänge anbietet und der sich in München rund 30 Läden und Designer angeschlossen haben. Und weil die "Greestyle Muc" keine bierernste Angelegenheit, sondern "ein Happening" sein soll, findet am Freitagabend eine große Party statt. Sorge, in Lederjacke und Kunststoff-Kleidchen einen Rüffel zu kassieren, braucht aber keiner zu haben. "Wir wollen weder belehren noch bekehren", sagt Smend. "Wir wollen einfach begeistern."
Erinnerungen an legendäre Münchner Modewoche geweckt
Nun lässt die Nachricht von einer neuen Messe in München zwangsläufig den Gedanken an die legendäre Münchner Modewoche aufkommen, die in den Achtzigerjahren nicht nur Stardesigner wie Gianfranco Ferré, Jil Sander oder Valentino an die Isar lockte, sondern auch zweimal pro Jahr 50 000 Besucher. Traumhafte Zahlen. Eine neue Veranstaltung, das ist Smend und Bauer klar, muss sich aber erst etablieren. Doch Smend klingt zuversichtlich, was die modische Zukunft der Stadt betrifft. "Modestadt München? Das kann wieder werden", sagt sie selbstbewusst. Wahrscheinlich nicht in der Form wie früher. Aber warum sich nicht mit dem Thema Nachhaltigkeit einen Namen machen?
Das sind freilich recht ambitionierte Ziele. Und bei aller Freude am geplanten Aufschwung einer anderen, einer besseren Mode, das wissen die Geschäftspartner, gibt es immer noch ein altbekanntes Münchner Problem. Kleine Händler und Designer können sich die horrenden Mieten in zentraler Innenstadtlage nicht leisten, und in ihren Hinterhof-Ateliers oder am Stadtrand versteckt erreichen sie zu wenige Kunden. Natürlich findet grüne Mode schon jetzt ihre Abnehmer, das ist nicht die Frage. Doch die Haidhauser und Bewohner des Glockenbachviertels, die vom Heidelbeerjoghurt bis zum Nero d'Avola eh schon alles bio kaufen, sind eben nicht genug.
Soll nachhaltig tatsächlich das neue Normal werden in der Stadt, muss auch beim Umland-Münchner ein Umdenken einsetzen, der es bei seinen Shoppingtouren bislang eben zumeist nicht über die Sendlinger Straße hinaus schafft. "Wir brauchen neue Leute", sagt Smend, "immer mehr, mehr, mehr." Sie macht keinen Hehl daraus, dass die Labels im Haus der Kunst ordentlich für sich werben sollen. Die Münchner sollen die Mode anfassen, anprobieren - und kaufen. Es gebe schließlich so viel mehr als das, was in den Schaufenstern der Innenstadt zu sehen ist.
"Greenstyle Muc", 19. bis 21. Oktober im Haus der Kunst, Eintritt: 8 Euro, Kinder frei, www.greenstyle-muc.com