Meisterfeier des FC Bayern:Bühne frei zum Blödeln

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Der Clown in Aktion: Franck Ribéry kippt Arjen Robben Weißbier über den Kopf. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der deutsche Meister FC Bayern München feiert sich und seine Fans. Auf dem Rathausbalkon macht Pep Guardiola eine Liebeserklärung, Arjen Robben bekommt den lautesten Applaus - und hinter den Kulissen fallen historische Sätze.

Von Ingrid Fuchs und Christian Krügel

Die Euphorie bricht in der 90. Minute aus. Als Claudio Pizarro beim letzten Bundesligaspiel der Saison das 1:0 für den FC Bayern schießt, jubeln die Fans auf der Leopoldstraße. Gefeiert hätten sie an diesem Tag zwar auch ohne Sieg, die Meisterschaft war den Bayern schon seit März sicher, aber so fühlte sich die Party dann doch verdienter an.

Der FC Bayern München begießt am Samstagabend seinen 24. Meistertitel - mit Konfetti-Regen und Bierduschen im Stadion und spät nachts mit einer Feier im Postpalast. Vorher aber feiert der Verein traditionell seine Fans. Mit einem Autokorso, einer Party auf dem Marienplatz und deutlichen Worten - an diesem Abend von Pep Guardiola: "Ich liebe euch. Ich bin ein Münchner. Mia san mia", rief der Trainer vom Rathausbalkon. Die Reaktion: frenetischer Jubel und "Pep! Pep! Pep!"-Sprechchöre.

Meisterschaft
:Wie der FC Bayern feiert

Franck Ribéry übernimmt die Rolle als Feierbiest, Arjen Robben gibt den Chorleiter und Pep Guardiola begegnet dem Ex-Präsidenten.

Von Ingrid Fuchs

Überhaupt zeigen sich die Bayernfans recht begeisterungsfähig und ausdauernd. Schon am Morgen haben sich die ersten einen Platz auf dem Marienplatz mit guter Sicht auf den Rathausbalkon gesichert - selbstverständlich in Tracht und nach Möglichkeit in aktuellem Trikot. Beim Warten auf den Mannschaftsbus an der Münchner Freiheit entwickelt sich schnell Stadionstimmung: Einzelne Gruppen singen Fanlieder, rot-weiße Fahnen werden geschwenkt, ein stetiges Tröpfeln von oben wird ignoriert. Selbst als der Bus endlich anrollt und ihre Stars vom FC Bayern, nun ja, noch nicht gerade Euphorie ausstrahlen, jubeln die Vereinsanhänger.

Meer aus roten Fähnchen

Mit gezückten Smartphones setzt sich der Pulk in Bewegung und schiebt sich hinter dem Mannschaftsbus die Fanmeile entlang. Ganz vorne im offenen Doppeldecker stehen Arjen Robben und Thomas Müller, auch Philipp Lahm gesellt sich als pflichtbewusster Kapitän ab und an zu ihnen. Im vergangenen Jahr hatten die Bayern am Saisonende drei Pokale zu präsentieren, am kommenden Samstag kann nun zwar noch ein zweiter im Pokalfinale in Berlin hinzukommen, doch das Aus in der Champions League - es schmerzt doch arg. Immer wieder versucht der Moderator auf dem Bus mit "Humba, Humba, Humba, Täterä"-Rufen die Stimmung anzuheizen.

Auf dem Marienplatz hat das schon längst geklappt, dort gibt es auch Bier: Gegen 19 Uhr werden alle Zugänge abgesperrt, etwa 15 000 Fans warten vor dem Rathausbalkon. Partymusik und Stadionsprecher Stephan Lehmann beschallen die Menge. Um kurz nach 21 Uhr setzt melodramatische Musik ein, donnernde Bässe und flackernde Scheinwerfer künden Großes an. Um Punkt 21.17 Uhr wird der erste Spieler begrüßt, jeder wird einzeln aufgerufen, darf die Meisterschale in die Luft recken und dazu johlen. Ein Meer aus roten Fähnchen winkt ihnen entgegen.

Gedankt wird nicht nur Fans und Spielern. Auch das Team im Hintergrund wird beklatscht - sowie die Leute an der Spitze des Vereins. Als auch Karl Hopfner erwähnt wird, der neue Präsident des FC Bayern, kommen Pfiffe aus der Menge. Laut wird Uli Hoeneß Name aber nicht ausgesprochen, nur gezeigt wird er nochmal, als Claudio Pizarro and Javier Martínez einen Schal hochhalten auf dem "Danke Uli - Du bist der beste Mann" steht. Sehen lässt sich Uli Hoeneß bei der Meisterfeier auch nicht, erst im Postpalast schließt sich der Ex-Präsident seinem Verein wieder an.

Als Arjen Robben auf dem Rathausbalkon an der Reihe ist, die Meisterschale in die Hand zu nehmen, jubeln die Fans auf dem Marienplatz besonders laut - und das sogar zweimal. Als alle schon auf dem Balkon stehen, geht die Blödelei so richtig los. Und wie schon im vergangenen Jahr sorgt Franck Ribéry als Pausenclown für Stimmung - und kippt seinem Kollegen mal eben ein Riesenglas Weißbier über den Kopf. Einen Abend lang dürfen sich die Fußballer wie kleine Jungs aufführen - sogar Sportdirektor Matthias Sammer hat seine Erlaubnis gegeben.

Perspektivwechsel: Der Blick vom Rathausbalkon während der Meisterfeier. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Hausherr voll kindlicher Freude

Mindestens genauso viel Spaß hat einer, der keine Minute auf dem Rasen stand, und der trotzdem mit mehr kindlicher Freude feierte als die meisten Spieler. Tatsächlich geht für Dieter Reiter an diesem Abend ein Kindheitstraum in Erfüllung. Seit 50 Jahren Bayern-Fan, seit zehn Tagen Münchner Oberbürgermeister darf er als Hausherr die Spieler im Rathaus begrüßen. Jedem erzählt er von seiner Freude, den Reportern im Rathaus, den Spielern auf dem Weg zum Balkon, schließlich auch den Fans auf dem Marienplatz.

Um staatsmännisch-neutrale Distanz zu den Fußballheroen des einen großen Münchner Fußballklubs bemüht er sich erst gar nicht, der Jubel der Zehntausenden, der aufbrandet, als er sich auf dem Balkon als Bayern-Fan bezeichnet, genießt er ebenso wie das Kompliment des Bayern-Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge: "Wir halten einen Rekord, weil wir schon nach dem 27.Spieltag Meister wurden, Sie halten einen Rekord, weil Sie schon nach zehn Tagen eine Meisterfeier des FC Bayern im Rathaus haben."

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:Tapfer der Bierdusche gestellt

Pep Guardiola genießt das Bad im Gerstensaft, Philipp Lahm erledigt die Übergabe der Meisterschale routiniert und Arjen Robben feiert nun auch mannschaftsdienlich. Bastian Schweinsteiger muss verletzt raus - ihn zwickt es am Knie. Der FC Bayern beim 1:0 gegen Stuttgart in der Einzelkritik.

Aus dem Stadion von Saskia Aleythe

Das sagt Rummenigge im kleinen Sitzungssaal des Rathauses, während auf dem Rathausbalkon die Spieler noch tanzen und soeben Stadionsprecher Lehmann mit Weißbier duschen. Sie verpassen Historisches: Viele Jahre lang piesakten sich der FC Bayern und Oberbürgermeister Christian Ude gegenseitig, wer wem zu wenig Respekt zolle. Dieter Reiter macht damit Schluss und sagt den Satz, auf den die Bayern so lange aus dem Rathaus gewartet hatte: "Die Stadt ist stolz auf diesen FC Bayern." Und Rummenigge erwidert: "Der FC Bayern ist stolz auf diese Stadt". Mehr noch: "Wir wünschen Ihnen viel Erfolg für die nächsten sechs, wahrscheinlich aber 12 oder 18 Jahre." So viel Liebe war noch nie zwischen Stadt und Klub.

Xherdan Shaqiri und Diego Contento lassen sich da schon in ein lederbespannten Ratssessel fallen - offenbar müde von der altbekannten Balkonprozedur. Die anderen Spieler schauen anstandshalber noch bei Reiter und den wenigen Stadträten vorbei, halten ihr Gesicht in jede Handy-Kamera und lassen die Meisterschale betatschen. Das klubinterne Protokoll drängt zum Aufbruch in den Postpalast, wo Funktionäre, Spieler und Familienangehörige unter sich feiern wollen. Schweinsteiger macht ein Höflichkeitshandschütteln mit Reiter, Arjen Robben bedenkt sorgfältig jeden Fan mit Autogrammen - nur Pep Guardiola sitzt ein wenig abseits auf einem schweren Holztisch im neogotischen Rathaussaal und sinniert. Vielleicht über das Spiel gegen Borussia Dortmund, vielleicht über diese merkwürdigen Münchner Feier-Riten.

Und der nächste Termin auf dem Balkon steht schon kommende Woche an: Die Pokalfeier ist für kommenden Sonntagnachmittag im Rathaus angesetzt, falls Borussia Dortmund nicht ein Tor mehr erzielt.

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