Meine Woche:Wahn auf zwei Rädern

Meine Woche: Daniel Seymour.

Daniel Seymour.

(Foto: Felix Fassbinder/oh)

Daniel Seymour hat eine etwas andere Werkstatt eröffnet

Von Benjamin Stolz

In Daniel Seymours () neuer Werkstatt im Westend stehen hinten links noch ein paar Umzugskartons. Erst in der Woche nach Ostern ist er mit seinem Partner Christian Lemke in ein Studio der Münchner Gewerbehöfe gezogen. Dort betreiben die beiden eine Fahrradwerkstatt namens "Fahrradwahn". Das Besondere daran: Seymour holt die Räder bei seinen Kunden ab, repariert sie in der Werkstatt und bringt sie wieder zurück. "Unser Ziel ist es, 25 bis 30 Räder pro Woche zu schaffen", sagt er. Noch befinden sich die Fahrradmechaniker in der Eingewöhnungsphase.

Die Leidenschaft für muskelbetriebene Zweiräder zieht sich durch Seymours ganzes Leben. "In meiner alten WG war ich der Fahrrad-Mann", erinnert sich der 39-Jährige an seine Studienzeit. Schon damals brachten seine Kommilitonen und Freunde ihre kaputten Räder vorbei. Nach dem Landwirtschaftsstudium in Kassel kehrte Seymour in seine Heimat München zurück. Lange Zeit arbeitete er als Fahrradkurier, schließlich als Fahrradmechaniker. Er hat festgestellt: "Bei diesem Job musst du dich nicht verstellen. Es ist eine erfüllende Arbeit."

Im Januar 2021 hat er sich selbständig gemacht. An diesem Montag Ende April läuft schon längst das Frühlingsgeschäft: Aufgespannt und zerlegt stehen ein altes Hollandrad und ein türkis-gelbes Rennrad unweit von Seymours Werkbank. Ersteres gehörte dem verstorbenen Gatten einer Kundin und ist bereits 30 Jahre alt. Beim zweiten wurden die korrodierten Stellen bereits mit passenden Teilen ersetzt. "In der Coronazeit ist es teilweise schwierig, Ersatzteile zu bekommen", klagt Seymour. Glücklicherweise hat er noch guten Kontakt zu früheren Arbeitgebern. Die haben nicht nur manches Ersatzteil parat, sondern schicken auch Kunden mit E-Bikes rüber, die nicht alle Fahrradmechaniker abfertigen können.

Fixe Geschäftszeiten hat die Werkstatt an der Gollierstraße nicht. Seymour kommt jeden Tag erst am späteren Vormittag an seinen Arbeitsplatz. Dafür bleibt er abends länger: "Wir transportieren die Fahrräder gerne nach Feierabend. Damit vermeiden wir den Berufsverkehr." Dazwischen nimmt er sich manchmal für seinen 13-jährigen Sohn Zeit, um ein paar Basketballkörbe zu werfen oder Falafel bei einem der vielen Dönerläden in der Nachbarschaft zu essen. Wenn Seymour ganz in Ruhe arbeiten will, dann kommt er sonntags in die Werkstatt. Unter der Woche werkelt nebenan ein Schreiner, in der Parzelle über ihnen ein Künstler. Die Kleinunternehmer unterstützen sich, tauschen Grafikarbeiten gegen Radreparaturen. Im Gewerbehof braucht es vor allem in diesen Zeiten Zusammenhalt, damit nur Daniel Seymour am Rad dreht.

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