Meine Woche:Live aus dem Koffer

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Heute Westend, morgen Köln: Titus Waldenfels ist permanent auf Achse

Von Andrea Schlaier

Alle Viertelstunde wird sich der Mann mit den stolzen Koteletten an diesem Montagabend wieder zwischen hölzernen Wirtshausstühlen nach vorne bis zur Bühne durchschlängeln, kurz umstöpseln, und weiter geht's. "Wohl sieben Gruppen treten heute auf, jede hat 15 Minuten Zeit." Wer sich bei Titus Waldenfels rechtzeitig gemeldet hat, darf seine Kunst im Stragula an der Bergmannstraße 66 einmal im Monat zum Vortrag bringen. Vor gut einem Jahr hat der Musiker aus dem Westend dort eine "Open Mic"- Reihe ins Leben gerufen. "Ich caste nicht, sondern vertraue drauf, dass die Leute auch spielen, was sie ankündigen." Ganz gleich, ob das nun Musikkabarett oder Punk ist. Von lampenfiebrigen Anfängern bis zu tiefenentspannten Profis ist alles dabei. "Fürs Publikum ist diese Mischung positiv."

Waldenfels () geht's letztlich ums Handwerk, die Möglichkeit, Livemusik in Gaststuben-Aura erlebbar zu machen. So viele Wirtshäuser gebe es nicht mehr, die dafür eine Bühne böten, auf der sich Musiker unkompliziert präsentieren könnten. "Wer keinen Bock auf Playlists aus Spotify hat", ätzt Waldenfels, "der kann ja zu uns kommen". Ein Seitenhieb auf Streaming-Dienste muss sein, weil die weniger bekannten Künstlern das Leben schwer machten. "Eigene CDs zu verkaufen, kann man in diesen Zeiten vergessen. Früher hat man seine Scheibe auch mal in einem Lokal gelassen, wo sie dann eingelegt wurde und die Leute aufmerksam gemacht hat." Inzwischen spulten selbst Kneipen oft nur Endlos-Playlists ab.

In dieser Woche ist der 48-Jährige, der praktisch alles zupft, was eine Saite hat, nicht nur Gastgeber im Stragula, sondern geht auf Tour durch die Lokale der Republik: Am Mittwoch gibt er Jazz in Essen, am Donnerstag Worldmusik in Dortmund, Freitag Buxtehude, Samstag Swing in Bremen, Sonntag Blues in Köln. Es folgen Walzer und Blues in Wien. Waldenfels lacht: "Klingt schlimmer, als es ist." Ich komm' eine Stunde vor dem Auftritt zum Aufbauen, pack danach alles schnell zusammen und schlafe privat, oft bei Kollegen." Beständig muss das Netzwerk, das ihn nährt und nächste Gigs möglich macht, gepflegt werden. "Planerisch habe ich einen Vorlauf von einem halben Jahr, schreibe Mails an Lokale und frag', ob hier wieder was geht."

Bevor er selbst mit dem Gitarrenkoffer loszieht, braucht man ihn an diesem Montagabend noch als Open-Mic-Impressario im Stragula. Bereits von 19 bis 20 Uhr bietet er für Interessierte eine Western-Swing-Session. Um 20 Uhr dreht der Mann mit den stolzen Koteletten dann das Mikro für selbst gemachten Wirtshaus-Sound auf.

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