Süddeutsche Zeitung

Meine Woche:Jeden Tag ein Selbstporträt

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Kunsttherapeutin Gabriela Popp zeichnet am liebsten Gesichter

Von Renate Winkler-Schlang

Augen, Nase, Mund: Es ist nicht leicht, ein treffendes Porträt zu zeichnen. "Üben", sagt Gabriela Popp, "man muss üben, üben, üben." Die 54-jährige Freimannerin hat schon als Kind gerne Gesichter gezeichnet. Ihr beruflicher Weg führte sie zuerst in ein Reisebüro, wo es ihr aber "gar nicht" gefallen habe. Sobald ihre beiden Töchter aus dem Gröbsten raus waren, begann ihre Umorientierung in Richtung Kunst: "Für die Akademie war ich schon zu alt. Da stieß ich auf die Ausbildung zur Kunsttherapeutin." Und das macht sie glücklich, bis heute: "Mein Lieblingsthema ist der Mensch."

Am Samstag, 12. Januar, kann man ihr beim Zeichnen von Gesichtern über die Schulter schauen - oder sich sogar selbst von ihr porträtieren lassen. Die Künstlerin, die seit 2013 Mitglied der Vereinigung "Kunstrefugium" ist, hat an diesem Tag Aufsicht in der Gemeinschaftsausstellung "Art Space" im Quiddezentrum, Quiddestraße 45 in Neuperlach, wo sie neben 15 Kollegen und Freunden ihre Werke präsentiert. Um noch mehr Publikum als sonst anzuziehen, bietet sie dort stündlich von 15.30 bis 18.30 Uhr den Gästen an, sie zu zeichnen. Kostenlos, nur gegen eine Spende fürs Material. Es sei schon anstrengend, wenn man einen ganz Fremden vor sich auf dem Stuhl sitzen habe, erklärt sie. Deshalb wird sie nach drei, vier Porträts auch immer wieder Pausen einlegen.

Auch die Tage vorher sind geprägt von Augen, Nasen, Mündern, von Gesichtern. Jeden Tag zeichnet Gabriela Popp ein Selbstporträt: "Ich selbst bin mir nicht böse, wenn es nicht so gut wird", darum nutze sie ihr Spiegelbild als Übungsobjekt, erzählt sie mit einem Augenzwinkern. Am Montag hat sie frei, will zum Klettern gehen, doch die folgenden Tage sind ihren therapeutischen Kursen gewidmet, die sie in ihrem Atelier an der Holzstraße für Menschen nach einem Schlaganfall, mit einem Schädel-Hirn-Trauma oder einem Hirntumor gibt. Diese können oft nicht mehr gut sprechen - sich über die Kunst auszudrücken, zu zeigen, dass sie etwas können, das mache ihnen Freude, erzählt Gabriela Popp. Manchmal gibt sie abends auch Porträt-Kurse für gesunde Teilnehmer. Es helfe schon viel, sich Gedanken über die Proportionen zu machen. Diesen Freitag widmet sie ehrenamtlich einem Malkurs für Demente beim Verein "Carpe Diem": Da gilt es, viel vorzubereiten, Vorlagen und Schablonen, denn diese Menschen haben oft Angst vor einem ganz leeren Blatt. Am Sonntag, wenn dann auch ihr Porträt-Nachmittag in der Ausstellung vorbei ist, will sie vor allem eines: "Erst mal ausschlafen."

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Quelle:
SZ vom 07.01.2019
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