Meine Woche:Gastgeber im Kirchenkeller

Gerhard Gleitsmann

Gerhard Gleitsmann.

(Foto: Kristina Assenova)

Gerhard Gleitsmann kümmert sich um obdachlose Frauen

Von Renate Winkler-Schlang

Donnerstags ist Gerhard Gleitsmann Gastgeber, regelmäßig alle zwei bis drei Wochen - jedoch nicht in seiner Privatwohnung, sondern im Keller der evangelischen Kirchengemeinde St. Lukas am Mariannenplatz 3. Bis 31. März öffnet die Gemeinde im Lehel wie schon seit 1991 täglich das Untergeschoss für zwölf wohnungslose Frauen. Jeden Tag bereitet ein anderes Team aus zwei oder drei Ehrenamtlichen abends alles vor, deckt den Tisch, stellt Blumen hin oder etwas Obst, gibt selbst mitgebrachtes oder von Lokalen gespendetes Essen aus, bleibt über Nacht, macht nach dem Frühstück Ordnung und sperrt ab.

Der 41-jährige gebürtige Rheinländer Gleitsmann ist im Berufsalltag für "Cyber Security", das Verhindern von Hackerangriffen, zuständig. Alles, was er in seiner Freizeit tut, steht für den aktiven Christen unter der großen Überschrift "Begegnung", überall blitzt für ihn die bedingungslose Liebe Gottes durch. Er habe keine Kinder, aber ein Herz für die Kleinen, daher habe er angefangen, den Kindergottesdienst zu gestalten, erzählt er in seiner Mittagspause. So habe er mitbekommen, was andere Arbeitskreise in St. Lukas machen - besonders fasziniert habe ihn das Engagement des Arbeitskreises Armut, der auch regelmäßig einen Brunch für Bedürftige ausrichtet.

Seit vier Jahren schon verbringt Gerhard Gleitsmann nun im Winter einige Nächte im Kirchenkeller. Dort müssen die obdachlosen Frauen nicht jeden Abend aufs Neue bangen: Wenn sie verlässlich wiederkommen, haben sie "ihr" Bett für den ganzen Winter sicher. Ein WG-Gefühl komme aber dennoch selten auf, erzählt Gleitsmann, die meisten "Bewohnerinnen" seien eher schweigsam, es gehe tagsüber jede eigene Wege. Als Ehrenamtlicher müsse er über die wenigen, aber klaren Regeln wachen: keine Drogen, kein Alkohol, und zum Rauchen rausgehen. Aber es komme doch immer wieder zu schönen Begegnungen: "Ich bekomme hier viel mehr zurück als ich an Zeit investiere", sagt er.

Die Nächte seien oft unruhig, die Frauen hätten offenbar viel zu verarbeiten, träumten sehr laut, das höre er bis in den Aufenthaltsraum, wo die Ehrenamtlichen schlafen. Wenn eine professionelle Hilfe sucht, weiß Gleitsmann, wohin er sie vermitteln kann. Das niederschwellige Angebot im Kirchenkeller solle den Frauen "Mut machen, Hilfe anzunehmen", sagt der Ehrenamtliche, der an anderen Abenden in der Teestube Komm oder fürs ambulante Kinderhospiz arbeitet - oder mal Tango tanzt: Hauptsache Begegnung. "Keiner ist dafür geschaffen, einsam zu sein", sagt er.

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