Süddeutsche Zeitung

Meine Woche:Gastfreundschaft am Biertisch

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Martin Hofmann organisiert eine Tafel für Offenheit und Freiheit

Von Jerzy Sobotta

Was soll der große Ärger, wenn man ohnehin nicht viel zu melden hat? Was sich nach einer kleinen Lebensweisheit anhört, ist Martin Hofmann zur politischen Philosophie geworden. Am Samstagnachmittag kommt die Bierbank vor die Tür, dazu ein Grill, ein Kasten Helles und was zu knabbern für die Kleinen. Und fertig ist die Tafelrunde zur Feier der offenen Gesellschaft. Für eine gesellige Nachbarschaftsrunde sind das zwar ganz schön große Worte, aber eigentlich geht es dem Musikpädagogen am Samstag, 16. Juni, um die kleinen Dinge im Leben: "Ein wenig plaudern, musizieren und hören, wie es den Kindern aus dem Nebenhaus geht."

Im Fernseher hat er vergangenes Jahr den Sozialpsychologen Harald Welzer gesehen. Der hat nicht nur viele Tipps, wie man die Welt besser macht. Zur "Verteidigung der Demokratie" hat er auch die Initiative Offene Gesellschaft gegründet, die zur Tafelrunde aufruft. In der ganzen Republik sollten an einem Sommersamstag vor einem Jahr die Tische gedeckt werden, für Freunde, Fremde und alle, die dabei sein wollen. Aufgetischt wurde gut-bürgerlich: Offenheit, Gastfreundschaft, Vielfalt, Freiheit und Karl Popper.

Laut Veranstaltern haben an jenem 17. Juni 2017 gut 20 000 Menschen an über 400 Tafeln gespeist. Eine davon war Hofmanns Biertisch in der Parkstadt Schwabing. So ist aus dem alljährlichen Nachbarschaftsumtrunk eine demokratischen Manifestation geworden. "Das passt auch zu unserem Viertel", erzählt Martin Hofmann. In der Schule seiner achtjährigen Tochter hätten zwei Drittel der Kinder einen Migrationshintergrund. Und deswegen wird auch dieses Jahr wieder der Biertisch aufgestellt.

Neben der Tafel an der Gunta-Stölzl-Straße wird es am kommenden Samstag in München noch zehn weitere geben ( www.die-offene-gesellschaft.de). Einige von Parteien, Vereinen oder Kirchen, andere von Privatpersonen. Dass die Initiative von unten kommt, hat Hofmann besonders angesprochen. Denn das Vertrauen in die große Politik habe er schon seit längerer Zeit verloren, sagt er. Zu viel Lobbyismus und Wirtschaftsinteressen gebe es da. "Wenn wir die Gemeinschaft vor Ort nicht zusammenhalten, dann fliegt uns alles um die Ohren."

Der 41-Jährige wird diese Woche seine Nachmittage mit kleineren Vorbereitungen verbringen: Flyer drucken, an der Tramstation aushängen und die Nachbarn einladen. "Viel Arbeit ist es nicht. Es braucht nur einen, der es anstößt. Dann machen alle mit."

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Quelle:
SZ vom 11.06.2018
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