Unter Schwestern etwas zu verleihen, ist nichts Ungewöhnliches. Dass aber eine Schwester ausgeliehen wird, klingt erst einmal kurios. Anett Sander , Mitglied der Schwesternschaft des Bayerischen Roten Kreuzes, ist seit kurzem Pflegedienstleiterin des Krankenhauses Neuwittelsbach und der Maria-Theresia-Klinik. Weil diese beiden Spitäler den Barmherzigen Schwestern unterstehen, wurde Sander dort per Gestellungsvertrag verpflichtet. "Ich bin quasi eine Leiharbeitskraft, aber nicht im herkömmlichen Sinn", erklärt sie, denn so ein Gestellungsvertrag gehe über Jahre.
Ihre Woche ist vollgepackt mit den unterschiedlichsten Terminen. Die Arbeitsbelastung und die Aufgaben sind der einstigen Kinderkrankenschwester alles andere als unbekannt. Zuvor war sie jahrelang in der Pflegebereichsleitung des Haunerschen Kinderspitals tätig. Für rund 400 Mitarbeiter sei sie dort zuständig gewesen und das ohne Stellvertreterin. Jetzt habe sie eine Ersatzfrau und betreue "nur" noch 180 Angestellte. "Ich freue mich auf die Arbeit in einer kleineren Einrichtung, die Atmosphäre ist familiärer."
Denn besonders gern hat sie die persönlichen Gespräche mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. "Man ist nicht nur Vorgesetzter, sondern Berater, Coach, Zuhörer", beschreibt sie ihre Rolle. Ein Lichtblick der Woche seien die Bewerbungsgespräche. Der Pflege-Engpass sei ein großes Problem, da freue es einen natürlich umso mehr, jemanden neu einzustellen.
Dienstag und Donnerstag steht derzeit jeweils eine Corona-Krisensitzung an. "Wir haben einen relativ kleinen Intensivbereich, der schnell ausgelastet und auch schnell überlastet ist." Die schlecht vorhersagbare Entwicklung erschwert das strategische Planen, das zu ihren Hauptaufgaben gehört. Bei ihrer Arbeit muss Anett Sander häufig Gedankensprünge machen, denn alltägliche Belange unterbrechen immer wieder die Planung. In Sitzungen mit dem Verwaltungsdirektor und den Abteilungsleitungen versucht sie, Projekte voranzutreiben. Ein Beispiel ist das Coaching für Stationen, die durch Corona sehr belastet sind. Dabei können ihr frischer Blick auf die Abläufe sowie ihr kürzlich abgeschlossenes Fernstudium des Gesundheitsmanagements helfen.
Am Wochenende freut sich Anett Sander darauf, nicht lernen zu müssen, sondern Zeit mit ihrer Familie zu verbringen. Ihren Mann hat sie im Jemen kennengelernt, wo sie in zwei Einsätzen Gesundheitspersonal ausgebildet hat. Dort hat sie nicht nur fließend Arabisch gelernt, sondern auch den Umgang mit fremden Kulturen. "Das war die beste Erfahrung, die ich machen konnte. Ich wäre heute nicht da, wo ich bin, wäre ich nicht im Jemen gewesen."