Meine  Woche:Eine Zuflucht für alle Fälle

Sybille Loew

Sybille Loew leitet die "Münchner Insel", die jetzt wieder im Marienplatz untergebracht ist.

(Foto: privat)

Sybille Loew leitet die "Münchner Insel" am U-Bahnhof Marienplatz

Von Hannah Knuth

Für Sybille Loew ist diese Woche die aufregendste im Jahr. "Endlich ist es soweit", freut sich die katholische Leiterin der ökumenischen Krisenberatungsstelle "Münchner Insel", denn gemeinsam mit ihrem evangelischen Kollegen Tilmann Haberer und den anderen Mitarbeitern zieht sie zurück an den altgestammten Platz der Beratungsstelle: in das Zwischengeschoss des U- und S-Bahnhofs Marienplatz.

Wegen der Sanierungsarbeiten im Zwischengeschoss musste die Einrichtung vor drei Jahren an den Viktualienmarkt ausweichen, nun ist an diesem Montag die Wiedereröffnung des Standorts, an dem die Beratungsstelle schon 43 Jahre zuvor ansässig war. Um 11.45 Uhr steht eine Segensfeier mit Bischofsvikar Rupert Graf zu Stolberg und Stadtdekanin Barbara Kittelberger an, Oberbürgermeister Dieter Reiter wird ein Grußwort sprechen. Bis 18 Uhr feiert die "Münchner Insel" dann einen "Tag der Offenen Tür."

Größere Beratungsstelle

Durch die Neugestaltung des Standorts hat sich die Beratungsstelle von 53 auf 87 Quadratmeter vergrößert. Nun gibt es einen Eingangsbereich, eine Küche und ein kleines Büro. Das sei aber nicht der Hauptgrund ihrer Freude, erzählt Loew: "Das Zwischengeschoss ist einfach der ideale Platz für eine Krisenberatungsstelle". Die Hektik und Dynamik des Bahnhofs biete für Ratsuchende die nötige Anonymität.

"Wer hier eintritt, der weiß: Ab jetzt hört und sieht mich keiner". Natürlich könne es für die Mitarbeiter auch beschwerlich sein, im Untergrund bei Klimaanlage und wenig Licht zu arbeiten, für die Klienten aber seien die fensterlosen Räume eine Art Schutzraum. Für einige Menschen sei es deshalb schwierig gewesen, den Standort am Viktualienmarkt zu betreten. Gerade zur Mittagszeit sei dort viel los. "Da ist die Schamschwelle viel höher", erklärt Loew.

Geschichten von Trauer, Krankheit und Gewalt

Anonym und ohne Anmeldung bekommt man in der "Insel" Rat, 33 Menschen kommen durchschnittlich am Tag zum Gespräch. Wenn Loews Arbeitstag morgens startet, weiß die Theologin und Therapeutin nie, was auf sie zukommt. "Man muss diese Spontanität lieben", sagt sie, "man weiß nicht, wer als nächstes mit welchen Problemen bei uns in der Tür steht."

Ein solcher Job gehe natürlich nicht immer spurlos an einem vorbei. "Wir hören hier von schrecklichen Erlebnissen, von Trauer, Krankheit oder Gewalt", erzählt sie. Das nehme man dann auch mal länger im Kopf mit. "Es ist deswegen wichtig, dass man seine Ressourcen pflegt und auf einen Ausgleich achtet", sagt sie. Für Loew und ihre Kollegen gibt es aber vor allem eine Kraftquelle: den Glauben.

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