Meine Woche:Baywatching ohne Pomp

Meine Woche: Benjamin Kagerer

Benjamin Kagerer

(Foto: Markus Schmirler/oh)

Benjamin Kagerer ist Lebensretter in Vollzeit: Ob als Sanitäter oder Rettungsschwimmer am Lerchenauer See - der 36-Jährige will Menschen helfen

Von Fabian Huber

Benjamin Kagerer () war zehn Jahre alt, da wusste er schon, dass er später Menschen das Leben retten will. Mit seinem Stiefvater, einem Kraftfahrer, war der kleine Bub auf einer Bundesstraße unterwegs. Vor ihnen ein Frontalzusammenstoß. Ihr Lkw hält als einziges Fahrzeug. Der Stiefvater rettet noch zwei Insassen aus den Flammen, eine Motorradfahrerin aber verbrennt unter dem Wrack - weil niemand sie bemerkte. Ein schmerzhafter, aber wichtiger Moment für Kagerer. "Ich dachte mir: Es kann nicht sein, dass da nur einer hingeht und hilft."

26 Jahre später ist Benjamin Kagerer ein Lebensretter in Vollzeit: An diesem Dienstag und Mittwoch in der Tagschicht als Sanitäter, Freitag, Samstag und Sonntag dasselbe nachts, zwölf Stunden Bereitschaft und im Einsatzwagen durch München heizen. Am Donnerstag, eigentlich ein Feiertag, ist er Rettungsschwimmer am Lerchenauer See. Das macht er ehrenamtlich, seit sieben Jahren. Die Station am Ufer ist ein moderner Holzbau mit vollausgestatteter Küche, einem Fernseher, Kamin, Radio, großzügigem Aufenthaltsraum und einem roten Quizshow-Buzzer. Der Notfallknopf. Vom Wachleiterbüro aus sieht Kagerer, ähnlich wie von einer Kommandobrücke auf einem Schiff, über den ganzen See.

Mit dem Glamour von Baywatch hat das alles trotzdem wenig zu tun. Ob im Wasser oder Rettungswagen - "der Bürger sieht uns mittlerweile als eine bessere Arztpraxis". Also pappt Kagerer oft Pflaster auf Bienenstiche, verarztet Schnittverletzungen von Badenden, wirft das Martinshorn wegen anhaltender Bauchschmerzen an - und hält natürlich auch immer wieder den seidenen Faden zusammen, an dem so manches Leben hängt. Der Respekt bleibt dabei manchmal auf der Strecke. Gaffer zücken ihre Handys, blockieren die Ufer und Straßen. Alkoholisierte Jugendliche beleidigen oder werfen mit Flaschen nach den Rettungsschwimmern, alles schon passiert. Und wenn Kagerer als technischer Leiter Wasserwacht-Ortsgruppe in Lerchenau die Dienste besetzt, weiß er gar nicht, wo das Personal eigentlich herkommen soll. Früher hatte die Gruppe noch 30 Schwimmer, heute sind es etwa 20. "Das ist der Wandel der Zeit. Anderen Ehrenämtlern geht es ähnlich", sagt er.

Trotz allem liebt der 36-Jährige seinen Job. Es gab Tage, da fuhr er von der Nachtschicht direkt nach Lerchenau, legte sich für drei Stunden auf das Feldbett der Wache und überraschte seine Kollegen dann mit einem Frühstück. "Das Privatleben bleibt schon auf der Strecke", sagt er. Dafür trifft er heute seit langem seine Mutter wieder. Nur Menschen retten - das geht auch nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: