Süddeutsche Zeitung

Meine Woche:51 Seiten Regieanweisungen

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Domzeremoniar Bernhard Stürber plant die Fronleichnamsprozession

Von Renate Winkler-Schlang

Bernhard Stürber hat einen seltenen Beruf. Manchem muss er ihn erst einmal buchstabieren: Domzeremoniar. Wenn am Donnerstag bei der zentralen dreistündigen Fronleichnamsprozession der Katholiken mit dem Titel "Mit Christus durch die Zeit" alles klappt wie am Schnürchen, ist das Bernhard Stürber, seiner Umsicht und seinem Organisationstalent zu verdanken. Der 60-Jährige sitzt in seinem Büro am Frauenplatz und blättert in dem von ihm erstellten 51 Seiten dicken Regiebuch. Darin steht "jedes Wort, das gesprochen, und jedes Lied, das gesungen wird", und es strotzt vor technischen Anweisungen. Das beginnt um 8.15 Uhr mit dem Soundcheck auf dem Marienplatz, wo Kardinal Reinhard Marx um 9 Uhr den Festgottesdienst zelebriert. Für jeden Vorgang oder Text gibt es die Spalten "Ausführender" und "Ort/Mikro". Sogar der Text der Wandlung ist Wort für Wort verzeichnet. Den könnte ein Kardinal doch auswendig? Stürber lacht: "Die Techniker müssen mitlesen können."

Es ist schon Routine: Vor sechs Jahren wurde der Diakon in dieses Amt berufen, denn: "Der Erzbischof braucht jemanden, auf den er sich verlassen kann." Stürber war prädestiniert, nach seinem Studium der Kirchenmusik und Theologie wurde er am Priesterseminar Dozent für Liturgik: Er bringt auch den unmusikalischsten Priesterkandidaten das Singen bei oder das Schwingen eines Weihrauchfasses.

Für die Prozession, die dieses Mal über die Residenz- und Brienner Straße zum Königsplatz führt, sind noch einige Proben und Besprechungen nötig: Am Dienstag ist Regiebesprechung mit allen Verantwortlichen bis hin zur Feuerwehr. Was muss auf welchem Altar bereitstehen? Man denke allein an die 43 Schalen mit Hostien, eine jede gefüllt mit 500 Stück. Am Mittwoch folgen die Proben mit denen, die den Himmel über der Monstranz tragen: 16 Männer, denn diese schweißtreibende Aufgabe ist doppelt besetzt. Wie die Fahnenträger kommen diese Helfer aus der Kolpingsfamilie, deren Bezirkspräses Stürber ist. Jeder braucht ein passendes Gewand. Wichtig auch die Ministrantenprobe: "Da ist nichts dem Zufall überlassen." Dann noch einmal Besprechung mit den Mesnern von St. Ludwig und St. Bonifaz, die für die Altäre unterwegs verantwortlich sind.

Am Mittwochabend fährt Stürber alles ab und am Donnerstag früh um 5 Uhr vor der letzten Lagebesprechung noch einmal. Er hofft, dass es nicht regnet und alle in die Frauenkirche ausweichen müssen. Während der Prozession hat er notfalls das Handy am Ohr. Für echte Frömmigkeit bleibt jedenfalls ihm keine Zeit.

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Quelle:
SZ vom 28.05.2018
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