Mein Kiosk:Der Periptero leuchtet in die Athener Nacht

Von Christiane Schlötzer

Ankunft in Athen, weit nach Mitternacht, und die Gewissheit: Der Kühlschrank ist leer. Kein Problem. Wie ein fest verankertes, festlich aufgetakeltes Schiff auf dunkler See leuchtet mein Periptero (griechisch für Kiosk) in die Nacht. Ich sage "mein" Periptero, weil sich dieses fast durchgehend geöffnete Kleinstkaufhaus etwa 20 Meter vor meiner Haustüre befindet. Ich könnte auch zur nächsten Straßenecke laufen und gefühlt zu jeder dritten oder vierten Kreuzung, um mir dort Milch und Joghurt fürs Frühstück, Papiertaschentücher und Prepaidkarten fürs Handy, Aspirin und Heftpflaster zu holen. Tausende solcher Versorgungsinseln gibt es im steinernen Meer der Millionenstadt. Steuererhöhungen und Rauchverbote haben zwar auch die Kioske zuletzt in die Krise gestürzt, was sich an einzelnen vernagelten Buden zeigt. Ein Leben ganz ohne Periptero aber kann sich kein griechischer Großstädter vorstellen, das hat die Institution vor dem Untergang bewahrt. Zudem haben die Kioske auf den Zigarettenverkauf vielerorts ein existenzsicherndes Monopol. Jeder Betreiber braucht eine Lizenz, über die Vergabe wacht das Verteidigungsministerium, weil die Buden einst nach Krieg und Bürgerkrieg vor allem Versehrten zu einer neuen Existenz verhelfen sollten. Kriegsopfer gibt es kaum mehr, aber was einmal galt, gilt halt weiter und kann vererbt werden. Normiert ist bis heute auch die Kiosk-Größe, was sich durch ausladende Kühlschränke und weitflügelige Zeitungsständer aber großzügig auslegen lässt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: