"Mehr Gerechtigkeit":Kampf für die Mieter

"Mehr Gerechtigkeit": "Ich musste noch mal zur Feder greifen", sagt Hans-Jochen Vogel, hier mit seiner Frau Liselotte.

"Ich musste noch mal zur Feder greifen", sagt Hans-Jochen Vogel, hier mit seiner Frau Liselotte.

(Foto: Stephan Rumpf)

Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel stellt persönlich sein neues Buch vor

Von Alfred Dürr

Keine Videobotschaft, kein verlesenes schriftliches Statement - er ist höchstpersönlich in Begleitung von Ehefrau Liselotte zur Vorstellung seines neuen Buches ins Café Luitpold gekommen. Hans-Jochen Vogel, 93, benötigt einen Rollstuhl, aus gesundheitlichen Gründen meidet er seit längerem öffentliche Auftritte. Als er während der zwanzigminütigen Rede, in der er mit lauter und klarer Stimme seine Gedanken darlegt, einmal kurz ins Stocken gerät, kommentiert er beiläufig: "Der Herr Parkinson ist auch da." Höchst engagiert macht er weiter. Schließlich geht es um ein Thema, dass Vogel seit Jahrzehnten umtreibt: Die Forderung nach einer Bodenrechtsreform, die ungebremste Grundstücksspekulationen und den uferlosen Anstieg der Mietkosten eindämmen soll. Es ist ein schmaler Band mit dem Titel "Mehr Gerechtigkeit!", in dem Vogel auf 80 Seiten präzise analysiert: Der Umgang mit Grund und Boden unterliegt nach wie vor den Marktregeln und entspricht nicht den Vorgaben des Allgemeinwohls. Während wenige "leistungslose Gewinne" machen, nimmt die Wohnungsnot für viele zu.

Sowohl als Münchner Oberbürgermeister, als Regierender Bürgermeister von Berlin, als Bundesminister und als SPD-Vorsitzender hat Vogel dieses Thema immer wieder aufgegriffen. Angesichts enormer Mietsteigerungen und astronomisch wachsender Immobilienkosten gerade in einer boomenden Stadt wie München, gewinnt die Debatte um eine Bodenreform an neuem Schwung. "Ich musste noch mal zur Feder greifen", sagt Vogel. Leicht war dieser Arbeitsprozess für ihn nicht, das lässt er durchblicken, als er sich vor allem bei seiner "lieben Frau Gemahlin" bedankt: "Du hast es einigermaßen schwer gehabt mit mir, bist mir stets zur Seite gestanden".

Der Andrang im Café Luitpold war groß, Vogel hatte ein interessiertes Publikum und er zeigte Überzeugungskraft. Aber es ist auch so, dass die neue Bodenordnung lange Zeit in einer Art Dornröschenschlaf verharrte. "Vogels Befunde müssen Bürger und Politiker aufrütteln", sagte der Wirtschaftswissenschaftler Dirk Löhr: "Ich hoffe, dass das Buch einschlagen wird." Der Autor sei kein Umstürzler, er bewege sich auf dem Boden der Verfassung.

In den Medien spiele der Boden inzwischen eine Rolle, sagte SZ-Redakteurin Laura Weißmüller, die den Abend moderierte: "Der Umgang mit dem Boden entscheidet, welche Häusern wir bauen und in welcher Art von Gesellschaft wir leben." OB Dieter Reiter (SPD) kritisierte scharf, dass es im Bundestag keine Mehrheit für eine Änderung der Baugesetze gibt. Angesprochen darauf, was man gegen Quadratmeterpreise von Zigtausenden von Euro für eine Wohnung machen könne, entgegnete er: "Solche Preise ängstigen mich nicht, solange gleichzeitig erschwingliche Wohnungen zur Verfügung gestellt werden." Fast zweieinhalb Stunden dauerte die Veranstaltung. Das Publikum erhob sich von den Plätzen und applaudierte lange. Vogel signierte geduldig die ihm gereichten Bücher. "Ich wünsche mir, dass ich den Anfang der Verwirklichung einer gerechten Bodenordnung erlebe", mit diesen Worten verabschiedete er sich.

Hans-Jochen Vogel: Mehr Gerechtigkeit! Herder Verlag, Freiburg, 12 Euro.

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