Medizin:"Wo bleibt der Mensch?"

Lesezeit: 6 min

Michael von Cranach, hier bei einer Ausstellung in Haar über die Kinder, die dem "Euthanasie"-Programm zum Opfer fielen. (Foto: Angelika Bardehle)

Michael von Cranach hat die Psychiatrie revolutioniert und schon in den Achtzigerjahren damit begonnen, die Naziverbrechen in seiner Klinik aufzuarbeiten. Es gibt da für ihn noch viel zu tun

Von Karl Forster

Mein Gott, der Cranach", murmelte der Herr Professor und schaute indigniert. Er hatte zur Pressekonferenz geladen. Weil das Thema vielleicht allzu sehr ins Wissenschaftliche abzugleiten drohte, bat er einen halbwegs kundigen Journalisten mit aufs Podium, damit dieser die Veranstaltung moderiere. Es ging um die Ende der Achtzigerjahre heiß umkämpfte Substitution von Heroin durch Methadon für Junkies in München und Bayern. Grüne, Teile der SPD und diverse niedergelassene Psychiater waren dafür, CSU und die Psychiatrie der Ludwig-Maximilians-Universität dagegen. Deren Chef Professor Hanns Hippius hatte eben schlüssig und ausführlich referiert, warum Methadon aus medizinisch-biologischer Sicht des Teufels sei. Da hob ein Mann mit dichtem weißen Haar und freundlichem Gesicht die Hand. Hippius kannte diesen Mann, sonst hätte er nicht mit "Um Gotteswillen, der Cranach!" reagiert. Der Mann stellte dann nur die eine Frage: "Herr Professor, wo in Ihren Ausführungen bleibt der Mensch?"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: