Medizin-Prozess:Gericht soll über Wunsch nach einem gesunden Kind entscheiden

Ethikrat gibt Stellungnahme zur genetischen Diagnostik ab

Genetische Diagnostik: Die mikroskopische Aufnahme zeigt eine menschliche Eizelle, in die eine Injektionsnadel eingeführt wird.

(Foto: dpa)
  • Eine Ethik-Kommission verweigert die genetische Untersuchung befruchteter Eizellen - dagegen klagt nun eine Frau.
  • Sie ist Trägerin einer Erbkrankheit und will diese nicht an ihr Kind weitergeben.
  • Der Prozess ist einzigartig, weil Entscheidungen der Kommission von Gerichten praktisch nicht überprüft werden können.

Von Stephan Handel

Wenn eine Frau ihre befruchteten Eizellen mit den Methoden der sogenannten Präimplantations-Diagnostik (PID) überprüfen lassen möchte - etwa um eine Erbkrankheit auszuschließen -, dann muss sie sich das von einer Ethik-Kommission genehmigen lassen. Diese Ethik-Kommission ist zwar angesiedelt beim Bayerischen Gesundheitsministerium - dennoch ist sie in ihren Entscheidungen so eigenständig, dass diese von Gerichten praktisch nicht überprüft werden können. Das ist das (voraussichtliche) Ergebnis eines Prozesses vor dem Verwaltungsgericht, dessen Urteil an diesem Donnerstag verkündet werden wird.

Geklagt hatte eine Frau, deren Antrag von der Kommission abgelehnt worden war. Sie trägt eine Erbkrankheit in sich und wollte sichergehen, dass diese nicht auf ihr Kind übertragen wird. Im Januar des vergangenen Jahres hatte sie die PID beantragt, im März erhielt sie die Ablehnung. Der Grund: Die Erkrankung ist nicht schwer genug. (AZ: M 18 K 16.1738)

"Schwerwiegend", so die Definition, ist eine Erkrankung, wenn sie sich durch eine geringe Lebenserwartung des betroffenen Menschen oder die Schwere des Krankheitsbildes bei schlechter Behandelbarkeit wesentlich von anderen Erbkrankheiten unterscheidet. Dazu muss aber noch ein hohes Risiko kommen, dass das Kind die Krankheit erhalten wird - das trifft zu, wenn die Wahrscheinlichkeit zu erkranken 25 bis 50 Prozent höher ist als normal.

Letzteres traf auf die Klägerin zu - und auch die genetische Disposition war unstreitig. Die Ethikkommission entschied aber trotzdem gegen die Antragstellerin. Das bedeutet: Auf natürlichem Weg schwanger zu werden, kann ihr niemand verbieten. Jedoch Eizellen entnehmen und mit dem Samen ihres Mannes befruchten zu lassen,um dann mit der PID zu untersuchen, welche der Zellen "gut" sind, also die Erbkrankheit nicht in sich tragen - das wurde ihr nicht erlaubt, weil die Krankheit, um die es geht, eben nicht als schwerwiegend genug einzuschätzen ist.

Die Ethikkommission beim Gesundheitsministerium besteht seit 2015 und entscheidet im Jahr rund 100 Anträge auf PID. Sie besteht aus vier Medizinern verschiedener Fachrichtungen (Reproduktionsmedizin, Humangenetik, Pädiatrie sowie Psychiatrie und Psychotherapie), einem Ethiker, einem Juristen, einem Patientenvertreter und einem Vertreter einer Selbsthilfeorganisation für Menschen mit Behinderung. Die Frage, die sich die 18. Kammer des Verwaltungsgerichts stellte, war: Ist die Entscheidung der Kommission ein x-beliebiger Verwaltungsakt wie ein Strafzettel, eine Baugenehmigung oder ein BAFöG-Bescheid, und kann er deshalb mit einer Klage dem Gericht zur Überprüfung vorgelegt werden?

Eine Liste von Krankheiten, die eine PID ermöglichen, gibt es nicht

Eher nicht, sagte der Vorsitzende Richter in der Verhandlung recht deutlich - denn die Kriterien der Kommission orientierten sich nicht allein an objektiven Tatbeständen. Vielmehr sei schon in der maßgebenden Verordnung festgelegt, dass sie auch nach "psychischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten" zu entscheiden habe. Damit eröffne sich ein Beurteilungsspielraum, der einer gerichtlichen Überprüfung nicht unterzogen werden könne.

Eine Indikationsliste, in der die Krankheiten aufgeführt sind, die eine PID ermöglichen würden, habe der Gesetzgeber bewusst nicht aufgestellt, weil jeder Fall individuell zu beurteilen sei. Die Meinung mancher Kommentatoren, das Gericht könne sich, sofern es um die Sachkunde gehe, eines Gutachters bedienen, wollte sich Uwe Schoeffel, der Vorsitzende Richter, nicht anschließen: In der Kommission säßen ja schon acht Sachverständige, meinte er.

Sein Urteil wird das Gericht an diesem Donnerstag verkünden - jedoch ließ Richter Uwe Schoeffel wenig Zweifel, wie es ausfallen wird, nämlich mit einer Abweisung der Klage. Weil das Verfahren aber bundesweit das erste dieser Art und es somit von grundsätzlicher Bedeutung ist, wird die Berufung zum Bayerische Verwaltungsgerichtshof zugelassen werden. Beim Verwaltungsgericht selbst sind weitere sechs bis sieben Fälle mit ähnlicher Problemstellung anhängig. Die Klägerinnen dort müssen sich jetzt entscheiden, ob sie auf das Urteil in der Berufung warten wollen oder ihren Rechtsstreit selbst vorantreiben.

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