Medizin:High-Tech-Klinik geht das Geld aus

Rinecker Proton Theraphy Center in München, 2010

In dieser Anlage werden Protonen auf mehr als die halbe Lichtgeschwindigkeit beschleunigt.

(Foto: Catherina Hess)
  • Das Rinecker Protonen-Therapiezentrum (RPTC) in Thalkirchen ist insolvent.
  • Die Klinik bot eine spezielle Behandlung mit Protonen gegen Krebs an.
  • Weil nicht ausreichend Patienten kamen, ging das Geld aus.

Von Stephan Handel

Es war der Traum von Hightech-Medizin auf internationalem Niveau und einem lukrativen Geschäft mit Patienten aus der ganzen Welt. Doch dieser Traum ist offenbar geplatzt: Das Rinecker Protonen-Therapiezentrum (RPTC) in Thalkirchen ist insolvent. Die jeweiligen Geschäftsführungen haben sowohl für die Pro Health AG wie für die E.6 GmbH entsprechende Insolvenzanträge eingereicht - das sind die beiden Unternehmen, die zum einen die Immobilie verwalten und zum anderen den Betrieb sicherstellen. Das Amtsgericht hat am 22. September die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und die beiden Rechtsanwälte Michael Jaffé und Miguel Grosser als Insolvenzverwalter bestellt. Der Betrieb und die Behandlung von Patienten läuft derzeit weiter, die Zukunft des Zentrums ist aber ungewiss.

Das RPTC wurde 2009 nach jahrelangem Vorlauf eröffnet. Sein Gründer Hans Rinecker, der zuvor die benachbarte Rinecker-Klinik betrieb, rühmte sich, ohne einen Euro öffentliche Förderung die erste private Anlage zur Protonen-Bestrahlung von Krebs-Patienten gebaut zu haben. So richtig in Gang kam das Zentrum allerdings nie. Das hatte mehrere Gründe.

170 Millionen Euro

investierte Hans Rinecker in sein Protonen-Therapiezentrum - dem Vernehmen nach kamen 65 Millionen davon aus seiner eigenen Tasche. Laut der letzten Bilanz aus dem Jahr 2015 betrugen die Verbindlichkeiten gut 70 Millionen Euro. Eine Tumor-Behandlung mit dem Protonen-Strahl kostet knapp 20 000 Euro. Die anvisierte Zahl von 4000 Patienten jährlich hat das RPTC nie erreicht.

Bei der Protonen-Therapie werden Tumore nicht, wie sonst üblich, mit Röntgenstrahlen zerstört, sondern eben mit Protonen. 170 Millionen Euro kosteten die Anlage und das Haus, 65 Millionen davon bezahlte Rinecker aus eigener Tasche - weil er überzeugt war, dass die Krebs-Behandlung mit Protonen besser sei als die herkömmliche. Das müsste sie allerdings auch sein, um auf die Dauer finanzierbar zu sein. Denn sie ist sehr viel teurer, wenn auch immer noch günstiger als eine Chemotherapie. Bislang konnte aber nur nachgewiesen werden, dass die Nebenwirkungen geringer sind; ein besserer Heilerfolg ist wissenschaftlich nicht belegt.

Das hatte Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmung - die von Rinecker angestrebten 4000 Behandlungen pro Jahr wurden nie erreicht, zuletzt fanden gerade mal um die 700 Patienten den Weg nach Thalkirchen. Der Plan, mit der Methode finanzstarke Medizintouristen anzulocken, ging ebenfalls kaum auf - das parallel zu der Klinik gebaute Gästehaus wurde schon bald verkleinert und in ein vom RPTC unabhängiges Hotel umgewandelt. Ein wenig half Rinecker noch, dass wenigstens einige gesetzliche Krankenkassen die Kosten übernahmen. Vor zwei Jahren verkaufte er die Traditionsklinik, nur zwei Straßen neben dem RPTC gelegen.

Sie hatte sein Vater in den 1930er Jahren gegründet, der Sohn hatte sie jahrzehntelang geleitet, bis ihm seine Augen den Dienst versagten und er nicht mehr operieren konnte. Daraufhin verlegte er sich auf die Protonen-Behandlung. In Münchens Medizin-Szene hieß es damals beim Verkauf der Klinik an den Krankenhaus-Verbund Artemed, Rinecker müsse sein Erbe verkaufen, um mit dem Erlös das RPTC weiter finanzieren zu können. Oder, schlimmer noch: dass sich kein Interessent für das hochverschuldete RPTC gefunden habe. Die letzte verfügbare Bilanz aus dem Jahr 2015 weist ein Eigenkapital von exakt 0 Euro aus, die Verbindlichkeiten belaufen sich auf gut 76,5 Millionen Euro.

Nun ist Hans Rinecker ausgeschieden aus dem, was er als sein Lebenswerk bezeichnet hat: Er habe sich, so teilt die mit der Krisen-PR beauftragte Agentur mit, "aus eigenem Entschluss aus der Rolle als aktiv mitwirkender Aufsichtsrat zurückgezogen". Er selbst war für einen Stellungnahme nicht zu erreichen.

"Die Behandlung der Patienten geht unverändert weiter"

Insolvenzverwalter und Geschäftsführung verbreiten unterdessen Zuversicht: "Die Behandlung der Patienten geht unverändert weiter", teilt Norbert Adler mit, der CEO des RPTC. "Sie können sich weiter darauf verlassen, in ihrer schwierigen Situation in den besten Händen zu sein und wie gewohnt eine Therapie auf höchstem medizinischen Niveau zu bekommen." Die Insolvenz sei notwendig geworden, "um finanzielle Altlasten zu restrukturieren und das RPTC wieder auf eine wirtschaftlich stabile Basis stellen zu können".

Wolfgang Kaissl, Geschäftsführer der Firma Varian in Troisdorf, die die Protonenanlage gebaut hat, sieht Chancen für einen weiteren Betrieb - unter bestimmten Voraussetzungen: Der Schlüssel sei "eine enge Zusammenarbeit mit Ärzten, Kliniken und Forschungseinrichtungen in der Region München" - das kann durchaus als Kritik verstanden werden: Rinecker hatte sich vor allem mit den Münchner Uni-Kliniken überworfen, mit der Folge, dass diese kaum Patienten an sein Zentrum überwiesen.

62 Menschen arbeiten derzeit am RPTC - Ärzte, Pfleger, Naturwissenschaftler wie Physiker, dazu Ingenieure, Medizininformatiker und Verwaltungskräfte. Sie beruhigt der Insolvenzverwalter Michael Jaffé: Der Betrieb laufe vorerst unverändert weiter. Zudem sei bereits "die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes für die Mitarbeiter in die Wege geleitet". Die Kanzlei Jaffé hat Erfahrung mit großen Unternehmenspleiten: Sie betreute unter anderem die Insolvenz des Kirch-Medienkonzerns.

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