Seit März darf jeder Arzt in Deutschland Cannabis verschreiben, die Kassen müssen die Kosten übernehmen. Doch selbst in einer Großstadt wie München ist es nicht leicht, einen Arzt zu finden, der öffentlich dazu steht, dass er dies tut. Es gibt Ärzte, die sagen: "Bei zwei Cannabispatienten ist Schluss!" Man stelle sich einen Arzt vor, der sagt: "Mehr als zwei Patienten verschreibe ich kein Antibiotikum". Und es gibt noch viel mehr Ärzte, die grundsätzlich niemandem Cannabis verordnen.
Zu groß ist die Angst, als "Drogenarzt" in Verruf zu geraten. Dazu kommt ein immenser bürokratischer Aufwand, der nicht vergütet wird: Ehe die Kassen entscheiden, ob sie die Kosten tragen, muss der Arzt seitenlange Gutachten schreiben. Zudem ist er verpflichtet, während der gesamten Therapiedauer Verlaufsdokumentationen zu erstellen, die in eine Studie einfließen sollen.
Bei der Verabschiedung des neuen Gesetzes ist einiges schief gegangen. Eigentlich werden neue Medikamente in Studien für verschiedene Diagnosen geprüft, ehe sie zugelassen werden. Bei Cannabis lief es andersherum. Das Gesetz wurde für sämtliche Erkrankungen zugelassen, solange sie "schwerwiegend" sind. Aber wer definiert das?
Und so haben die Ärzte nun Patienten vor sich sitzen, die erzählen, dass Cannabis ihre Schmerzen erträglicher mache, sie ausgeglichener seien und besser schlafen könnten. Doch nicht immer lässt sich die Trennlinie zwischen Droge und Heilmittel klar ziehen. Was schwerwiegend ist und was nicht, ist eine sehr subjektive Entscheidung. Während manch ein Arzt Cannabis ganz ablehnt, mag es ein anderer befürworten, dass jemand einen Hanftee trinkt anstatt Tabletten einzunehmen. So mag die Entscheidung, Cannabis zu verschreiben oder nicht, von Arzt zu Arzt anders ausfallen. Und sicher findet sich ein Arzt, der bei zweifelhafter Diagnose - wenn keine Aussicht auf Kostenübernahme durch die Kassen besteht - eben ein Privatrezept ausstellt.
Letztlich entscheiden also das Gewissen des Arztes und der Geldbeutel des Patienten darüber, wer legal kiffen darf. Eine vernünftige Gesundheitspolitik sieht anders aus.